Prozessausgang Villa Zapata


70 Tagessätze für Hausfriedesbruch, Sachbeschädigung und dem Verstoß gegen das Versammlungsgesetz. So das Urteil gegen den Angeklagten vor dem Karlsruher Landgericht.

Gut ist anders, schlecht auch. Teilziele konnten beiderseits erreicht werden: Der Staatsanwaltschaft muss zugestanden werden, dass sie es in der Berufungsverhandlung geschafft hat, das Strafmaß gegenüber dem +erstinstanzlichen Urteil um 50 Tagessätze anzuheben und die Verurteilung weiterer Straftatbestände (neben dem Hausfriedensbruch der ersten Instanz) durchzusetzen. Damit einher geht zwangsläufig die +entpolitisierende Wirkung der Aktion.

Durch die Verfolgung wurde der politischen Aktion über den Weg der Prozesse ihre Logik übergestülpt: Kriminalisierung einer politischen Aktionsform und durch die Heraushebung eines Angeklagten deren innere +Hierarchisierung.

Andererseits konnte die Anklage nicht vollständig ihre Forderungen erwirken: Erfreulich zumindest, dass die ausgesprochene Strafe unter der Grenze der Vorstrafe (90 Tagessätze) liegt.

Sehr erfreulich, dass die Betroffenen und damit auch das politische Anliegen über die gesamte Dauer der Prozesse hinweg durch das Solidaritätskomitee zusammengehalten wurde. Eine derartige solidarische +Unterstützung ist keineswegs alltäglich und selbstverständlich und materialisiert gewissermaßen die Parole von der Solidarität als Waffe.

Für unser politisches Engagement haben wir einen hohen Preis gezahlt: Gewinnen werden wir sicher. Irgendwann.

Besten Dank für Eure Unterstützung!

Angehängt sind noch ein paar Eindrücke des Angeklagten zum gestrigen Prozess:

Das Ende einer Prozess-Serie

(140 + 0) / 2 = 70

Ein kurzes Lächeln huschte mir dann doch übers Gesicht, als das Urteil verkündet wurde: Gedämpfte Freude ist eben auch Freude.

In der Berufungsverhandlung vor dem Karlsruher Landgericht wurde ich wegen meiner Beteiligung an einer politischen Aktion für bezahlbaren Wohnraum und gegen Leerstand wegen Hausfriedensbruchs und +Sachbeschädigung, nicht jedoch wegen Landfriedensbruchs und versuchter Strafvereitelung verurteilt. Hinzu kam eine Verurteilung wegen Leitung einer nicht angemeldeten antifaschistischen Kundgebung vor dem +Karlsruher Rathaus. Die Gesamtstrafe belief sich auf 70 Tagessätze und befand sich damit exakt zwischen der Forderung des Staatanwaltes von 140 Tagessätzen und der Forderung auf Freispruch durch meinen +Verteidiger und mich.

Von Parlamentären, Feldherren und anderen Unterstellungen

25 Personen befanden sich im symbolisch besetzten Haus, als die Polizei zu einem willkürlichen Zeitpunkt den weiteren Zugang zu eben jenem Haus unterband. In einer gemeinsamen Unterredung wurde beschlossen, +über die Aufnahme von Verhandlungen eine Lösung der Situation erreichen zu wollen: Eine Person sollte mit der Einsatzleitung in Kontakt treten, eine andere \226 ich \226 die Kommunikation zu den +DemonstrantInnen auf der Straße durch Ansagen vom Balkon des Hauses aus aufrechterhalten.

Doch nicht von einer politischen Aktion unter delikaten Bedingungen, sondern von einer Schlacht galt es zu berichten: Staatsanwalt Bogs hatte seine Truppen gut eingestimmt: Acht von neun seiner +professionellen \226 weil Polizeibeamte \226 Zeugen hatten verstanden. Einer nicht, doch dazu später mehr.

In harmonisierenden Aussagen wurde ein neues Bild der Situation entwickelt:

Der Balkon war dann eben kein Balkon mehr, sondern der \204Feldherrenhügel\223. Von dort aus habe der angeklagte \204Feldherr\223 \204die Massen dirigiert\223. Mit einem trickreichen Manöver konnte der +\204große Zampano\223 dann eine \204derartige Verdichtung\223 seiner Truppen bewirken, dass es gelungen sei, die erste Verteidigungslinie der Polizei \204minutenlang unter erheblichen Druck zu setzen.\223 +Die Männer hatten glücklicherweise ihre \204Stöcke dabei\223. \204Nasenspitze an Nasenspitze\223 sei man sich gegenübergestanden. Doch die Linie hielt stand und so pfiff der \204Volksheld Zapata\223 seine ruppen zurück und wies seinen \204Laufburschen\223 oder besser noch seinen \204Parlamentär\223 an, Verhandlungen aufzunehmen.

Staatsanwalt Bogs war bemüht, die symbolische Aktion hinsichtlich der Planung und der Durchführung auf (m)eine Person zu reduzieren: Hierfür wurde der Versuch unternommen, die hierarchischen Strukturen der +Polizei auf die vermeintlichen BesetzerInnen zu projizieren.

(Heim-)Videos sind langweilig

Um oben skizzierten Sachverhalt zu prüfen, wurden während der Verhandlung Videoaufzeichnungen präsentiert: Auf ein Schlachtengetümmel wartete man vergebens. Ups, wie peinlich.

Auf der Zeugenbank suchte der damalige Einsatzleiter mit ausgestrecktem Arm und lautem Fingerschnippen auf sich aufmerksam zu machen: Er habe weitere Videos dabei. Gut, wenn\222s der Wahrheitsfindung dient. +Und schon hatte er seinen Laptop aufgebaut und die Präsentation konnte beginnen. \2047, 6, 5, 4, 3, 2,1: Polizeipräsidium Karlsruhe präsentiert\223 wurde der Clip eingeleitet. Kurze Sequenz, dann die +entwaffnende Frage des Richters, ob das jetzt die Stelle gewesen sei. Ja, sie war es und ja, sie war nicht besonders aussagefähig.

Bemerkenswert einerseits, dass der damalige Einsatzleiter offensichtlich Beweismaterial zurückgehalten hat, bemerkenswert andererseits, dass er damit seinem Begehren nach (m)einer Verurteilung eindrücklich +Nachdruck verlieh. Erstaunlich allerdings, dass seine Initiative derart wirkungslos verpuffte.

Aber er sollte nicht der einzige bleiben, der in der Verhandlung nachlegte.

So weit einige Eindrücke vom Verfahren, dass sich die symbolische Aktion für bezahlbaren Wohnraum und gegen Leerstand bezog. Der Verhandlungsstand ließ damit erwarten, dass eine Verurteilung wegen +Strafvereitelung und Landfriedensbruchs nicht in Frage käme.

\204Ich kann mich an nichts erinnern\223, Staatsschützer schon

Ein Knaller war dann die Beweisaufnahme im Verfahren wegen eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz.

Der geladene Zeuge konnte sich an nichts mehr erinnern. Waren das damals Nazis oder Hausbesetzer oder vielleicht doch Antifaschisten, die Einlass in das Rathaus begehrten. Sei\222s drum: Staatsanwalt Bogs +verlas dem Zeugen seine schriftliche Einlassung von damals, was jener nur mit einem \204Wenn ich es geschrieben habe, wird es so gewesen sein\223 quittieren konnte.

Es war zweifelhaft, ob die Anklage unter Berufung dieses Zeugen hätte aufrechterhalten werden können.

Es war Zeit für die Mittagspause. Die Zeit wurde offensichtlich genutzt, einen neuen Zeugen aus dem Hut zu zaubern. Der nun von der Staatsanwaltschaft benannte Zeuge war bereits in obiger Angelegenheit +vernommen worden, hatte den weiteren Fortgang des Prozesses verfolgt und ist beim Staatsschutz beschäftigt. Er kannte die Lücken der Beweisaufnahme und war gern bereit, diese zu schließen. Kurz und knapp +lag nun die benötigte Aussage auf dem Tisch.

Holla-die-Waldfee! Das war nun doch eine äußerst pragmatische Art der Beweisaufnahme. Die Verurteilung in dieser Angelegenheit war dann nur noch Formsache.

Schluss und weiter. Bis dahin.

Squatter


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