Räumung verhindern! |
Bereits am Dienstag entschied das Amtsgericht Lichtenberg negativ für die BewohnerInnen über eine Räumungsklage gegen eine Wohnung. Mit der Entscheidung des Landgerichts wurde auch die Ablehnung der Klage der BewohnerInnen, auf Abschluß eines Rahmenvertrags bekannt gegeben.
Dieser sollte die kollektive Wohnstruktur absichern, das Recht auf Vereinsräume untermauern und den BewohnerInnen die Möglichkeit geben, selbst zu bestimmen, mit wem sie zusammenleben werden. Bei der Urteilsverkündung bemerkte der Richter, dass er auch für die BewohnerInnen hätte entscheiden können. Er gab damit nicht nur den Interessen eines "Eigentümers" Vorrang, sondern verdeutlichte ein Mal wieder, dass im bürgerlichen Staat Privateigentum Vorrang hat, vor linken, kollektiven, selbstorganisierten Strukturen. Eines Eigentümers, der auch in den anliegenden Häusern Rigaer Str. 95, 96 und Liebigstr. 14 ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse und Vorstellungen der BewohnerInnen seine Profitinteressen durchsetzt. So beteiligt er sich durch Sanierungsbestrebungen aktiv an der Umstrukturierungs- und Vertreibungspolitik der StadtentwicklerInnen, die eine Vertreibung finanziell benachteiligter Menschen in Randgebiete zur Folge hat. So kann eine Altbauwohnung, die im Innenstadtbereich liegt, nach einer Räumung problemlos saniert werden und findet auf dem Wohnungsmarkt zu einem erheblich höheren Preis leichter wieder einen Abnehmer als eine Wohnung in einer Plattenbausiedlung. Insgesamt sind in Berlin jedes Jahr mindestens 12 000 Haushalte von Zwangsräumungen bedroht, die größtenteils mit Mietschulden begründet werden. Diese wiederum haben ihre Ursache in der drastischen Verteuerung der Miete bei ausbleibender Kompensation durch höhere Einkünfte. So wurden 1993 durchschnittlich noch 17% der Nettoeinnahmen für Miete ausgegeben, bis 1998 stieg dieser Anteil auf 27%. Dies ist keine zufällig Entwicklung, das Gesicht der neu "erblühenden" deutschen Hauptstadt wird gezielt verändert. Die Innenstadtbezirke sollen ausschließlich finanziell Starken vorbehalten sein, nicht Erwünschte werden an den Rand gedrängt.
Berliner Linie |
Immer wieder hat die herrschende Wohnpolitik in Berlin dazu geführt, dass unliebsame und Randgruppen aus der Innenstadt vertrieben wurden.
Schon Bismarcks Politik in der Reichsgründungszeit richtete sich gegen Schwache und Andersdenkende. Im Zuge einer Hauptstadtpolitik, die Berlin als preußisches und deutsches Zentrum sah, regierte ebenfalls der "Eiserne Besen". 1872 wurden die Baracken Obdachloser am Frankfurter Tor geräumt, woraufhin sich drei Tage lang EinwohnerInnen Friedrichshains mit der Polizei Straßenschlachten lieferten. In den folgenden Jahren kam es wiederholt zu Mietstreiks und Wohnungsbesetzungen. Einen weiteren Höhepunkt erreichten die Auseinandersetzungen 1932, als aufgrund von Arbeitslosigkeit und Preissteigerungen die Mieten für viele nicht mehr bezahlbar waren und Räumungen von Familien die Gemüter so erhitzten, dass es erneut zu Straßenschlachten mit der Polizei kam.
Durch die Insellage Westberlins entwickelte sich auf dem Immobilienmarkt in den 70er Jahren ein Klima der Spekulation und des vorsätzlichen Leerstands, gegen den Anfang der 80er Jahre durch Hausbesetzungen demonstriert wurde.
Um das Problem in den Griff zu bekommen, schuf der Senat noch zu Hochzeiten der Bewegung die "Berliner Linie". Dieser Richtlinie zufolge wurde die Polizei angewiesen, besetzte Häuser zu räumen, wenn die Eigentümer ein Räumungsbegehren gestellt hatten und eine Anschlußnutzung vorweisen konnten. Neubesetzungen sollten sofort geräumt werden. Diese Verwaltungsrichtlinie wurde im Abgeordnetenhaus mehrfach diskutiert und geändert, zuletzt während der Hausbesetzungen in Ostberlin im Wende-Sommer 1990. Der Text blieb unverändert, es wurde jedoch der Stichtag 24.7.1990 vereinbart, nach dem alle Neubesetzungen sofort geräumt werden, während für die vorher besetzten Häuser Verträge ausgehandelt werden sollten. Etwa die Hälfte der Häuser bekam nach jahrelangem Kampf Nutzungs- oder Mietverträge, die anderen wurden nach und nach geräumt.
Allerdings war der Weg der "Legalisierung" eine recht kurzfristige Lösung und diente der Befriedung der HausbesetzerInnenbewegung. Der grundsätzliche Widerspruch zwischen dem Anspruch auf kollektiv genutzte, selbstorganisierte unkommerzielle Räume und den Interessen der StadtentwicklerInnen wurde nicht aufgehoben. Im Gegenteil, es werden immer mehr linke Freiräume angegriffen und zerstört.
Unser Widerstand gegen die heRRschende Politik braucht eine soziale Basis. Wir brauchen Hausprojekte, Wagenburgen, kollektiv organisierte unkommerzielle Treffpunkte, soziale Zentren, ...! Wir brauchen Räume, die ein herrschaftsfreies Leben zumindest vorstellbar machen. Mit den eigenen Widersprüchen konfrontiert zu werden, zu versuchen, die politischen Utopien im Mikrokosmos umzusetzen, ist für uns ein unersetzliches Element linker Politik.
Linke Freiräume verteidigen!
Kadterschmieden aufbauen!
Weg mit der Berliner Linie!
Für die soziale Revolution weltweit!
Rigaer 94 bleibt !
Soziale Zentren schaffen!
Geschichte |
Das Haus wurde im Herbst 2000 von Dr. Suitbert Beulker (Schönhauser Allee 73a) gekauft, nachdem die BewohnerInnen bereits eine eigene GenossInnschaft gründeten, um ihr Haus selber zu kaufen und zu verwalten. Im Rahmen eines Runden Tisches sollte nun eine Lösung für die unterschiedlichen Interessen gefunden werden, da von Anfang an klar war, dass die Pläne eines selbstorganisierten Zusammenlebens, durch die Fremdbestimmung eines Eigentümers nicht umsetzbar sind. Die Verhandlungen wurden nach kurzer Zeit von Beulker abgebrochen. Da Beulker daraufhin allen BewohnerInnen kündigte, und unzählige Räumungsklagen einreichte, bekam der Rahmenvertrag existenzielle Bedeutung. Er würde die kollektive Wohnstruktur absichern, das Recht auf Vereinsräume untermauern und den BewohnerInnen die Möglichkeit geben selbst zu bestimmen, mit wem sie zusammenleben werden. Auf Grundlage einer dem Eigentümer am Runden Tisch abgerungenen Absichtserklärung, den seit 91 bestehenden Rahmenvertrag zu aktualisieren, entschied sich das Hauskollektiv, Beulker auf den Abschluß eines solchen Vertrags zu verklagen.
R. Evolution, Allee der Befreiung, 10789 Berlin