Eine Hand wäscht die andere


"Kameramann - Arschloch" diese einfallslose Parole ist ein Dauerbrenner auf vielen Demonstrationen. Jetzt könnte sie wieder Auftrieb bekommen. Die Bremer Lokalredaktion der Tageszeitung (taz) konnte kürzlich nachweisen, dass Kameraleute in der Hansestadt regelmäßig Fotos von Demonstrationen an die Polizei  liefern.

Die wiederum revanchierte sich mit Insidertipps über Action und Randale, so dass die Fotografen ihre Kameras immer als erstes in Position bringen konnten. Das Prinzip heißt: Eine Hand wäscht die andere; die Polizei revanchiert sich mit Tipps, wo es Blut zu drehen gibt" fasst TAZ-Redakteur Jan Kahlcke den Deal zusammen. "Die Fotographen hatten keinerlei Unrechtsbewußtsein und frei weg von der Leber über ihre Deals mit der Polizei erzählt" so Kahlcke. Zu den Plaudertaschen zählt Andreas Aussem von der Bremer Produktionsfirma Television Aktuell (TVA). "Ich mache denen immer Prints fertig." Das geht praktisch zuhause am eigenen Rechner. Dafür gibt es dann im Austausch "mal n' Tip" wird er von der Taz zitiert. Sein Hamburger Kollege Gerrit Schröder von der Hamburger TVA-Firma Radio-Tele-Commercial (RTC) gab sich ähnlich kooperativ gegenüber der Staatsmacht. "Wir machen das öfter mal - gerade bei Demos." Da komme von der Polizei schon mal die Anfrage: "Wenn ihr die Gesichter close habt, können wir da vielleicht was mitnehmen?" Kein Problem, wer sagt schon nein, wenn ein Tipp der Polizei bares Geld wert sein kann?

Der Vorteil für die Polizei liegt auf der Hand. Anders als die Polizeikameras liefern die teueren High-Tech-Geräte der Fernsehfirmen gute Fotos auch bei widrigen Lichtverhältnissen. Außerdem ist die Abwehr und das Misstrauen bei den Demonstranten deutlich größer, wenn die Staatsmacht selber am Auslöser sitzt. Nach der TAZ-Veröffentlichung könnte die Rolle der Presse als neutrale Instanz in Frage gestellt werden, befürchtet der Sprecher des Deutschen Presserates Manfred Protze. Auch die Deutsche Journalistenunion in der Gewerkschaft ver.di warnte vor einer Rollenverquickung zwischen Medien und Polizei. Und auch die Firmen, für die die Kameraleute arbeiten, distanzieren sich von dieser Praxis. Sie hätten damit nichts zu tun. Das sei allein die Sache der einzelnen Kameraleute.

Die beiden in der Taz namentlich genannten Fotografen versuchten wenige Tage ihre Angaben zu relativieren. Die seien wohl von dem Echo auf ihre freimütigen Bekenntnisse erschreckt gewesen und fürchten um ihre künftigen Aufträge, vermutet Taz-Redakteur Kahlcke. Er bleibt in allen Punkten bei seiner Darstellung, die auch von keiner Seite dementiert oder mit einer Gegendarstellung beantwortet wurde. Eine richtig große Überraschung waren die Enthüllungen wohl für niemand. So hat sich bisher keine politische Kraft dafür interessiert. Auch die in Bremen oppositionelle grüne Partei hat das Thema bisher nicht aufgegriffen.

Peter Novak in Telepolis - 17. Januar 2002


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