Dijon (Frankreich): « Les Tanneries » räumungsbedroht |
Betreff: Les Tanneries lassen sich nicht räumen! – Angesichts eines von der Stadtverwaltung beschlossenen privaten Klinikkomplexes, Aufruf zur sofortigen Mobilisierung
Zur weiteren Verbreitung!
Die Neuigkeit von der Entscheidung des Bürgermeisteramtes von Dijon kommt mitten in einer angespannten Situation. Wir haben deshalb das folgende Manifest geschrieben, um zu erklären, warum und wie wir den Kampf um den Ort wieder aufnehmen werden. Wir appellieren an alle Personen, die uns unterstützen, diese Information an ihre verschiedenen Kontakte und Freundinnen und Freunde weiterzuleiten, sowie die Zentrale des Rathauses anzurufen (ihr könnt das Bürgermeisterbüro, das Dezernat für Stadtentwicklung oder die Kämmerei verlangen...) und den ganzen Montag hindurch Mails an den Bürgermeister zu schicken. Alle, die können, sollen Montag Abend um 17:30 Uhr vor das Rathaus kommen, um zusammen zum Gemeinderat zu gehen und um auf der Straße vor dem Rathaus zu feiern, wo sich bereits der Squat « Toboggan » und das unabhängige Kino « Eldorado » versammeln, die ebenfalls bedroht sind.
Unsere Zukunft spielt sich jetzt ab, aber sie hört nicht hier auf. Wir werden natürlich unsere Aktionen weiterverfolgen und vervielfachen, um in den kommenden Wochen Druck aufzubauen und noch viel größer zu mobilisieren. Haltet euch bereit!
WIR BLEIBEN... WEIL WIR GENUG WUT HABEN!
Espace autogéré des Tanneries
17 bvd. de Chicago
21 000 Dijon, France
+33 3 80 66 64 81
http://squat.net/tanneries
versus
Mairie de Dijon
à l'attention de M. le Maire François Rebsamen
21 000 Dijon, France
+33 3 80 74 51 51
francois-rebsamen@ville-dijon.fr
LES TANNERIES NE SE LAISSERONT PAS EXPULSER !
DIE GERBEREIEN LASSEN SICH NICHT RÄUMEN!
Nach 9 jähriger Existenz ist das selbstverwaltete Zentrum von einem privaten Klinikkomplex bedroht, der im Rathaus von Dijon geheim beschlossen wurde
Ohne die Öffentlichkeit zu beteiligen und mit dem für die aktuelle Wahlperiode charakteristischen heimlichen Umgang mit heißen Themen hat die PS-Verwaltung [Sozialistische Partei] von Dijon Entscheidungen getroffen, die für das Autonome Zentrum « Les Tanneries », dem 1998 eröffneten selbstverwalteten Freiraum für kulturelle, soziale und politische Aktivitäten, das Ende bedeuten könnten. Aber wir beabsichtigen nicht, sie gewähren zu lassen!
Nach fünf Jahren Kampf gegen die Räumung und einigen Jahren des Status Quo, geben wir heute die offizielle Wiederaufnahme der Aktionen und Demonstrationen zur Unterstützung der Tanneries bekannt.
Wir wussten von Anfang an, dass wir – trotz der Vereinbarung der kostenlosen Nutzung im Jahr 2002 – uns eine permanente Wachsamkeit bewahren müssen. Nach diversen Gerüchten – ein wenig hartnäckiger als normal – über die Projekte, die uns bedrohen, haben wir das Bürgermeisteramt Anfang März kontaktiert, um die Wahrheit zu erfahren. Trotz mehrmaliger telefonischer und schriftlicher Nachfragen, haben wir keinerlei Antwort bekommen. Vor zwei Tagen haben wir jedoch aus einer sicheren Quelle – aber noch inoffiziell – erfahren, dass das Amt für Stadtverwaltung dem [privaten Krankenhaus-Unternehmen] Générale de Santé einen schriftlichen Vorschlag unterbreitet hat. Das Ziel ist, ihnen die Ansammlung von Flächen zu überlassen, von denen wir eine Parzelle nutzen, auf dass sie dort ihr privates Klinikzentrum von zehn Hektar Land bis 2009 errichten können.
Während die öffentliche Gesundheitsversorgung in Europa von neoliberalen Privatisierungsstrategien stark bedroht wird, favorisiert die Stadtverwaltung von Dijon die Einführung einer Zweiklassenmedizin? Will sie zu den Monopol- und Eroberungstrategien des größten multinationalen Medizinkonzerns beitragen (1,741 Milliarden Euro Jahresumsatz 2006, kontrolliert durch Rentenfonds und zu 10% durch [den Medienkonzern] Vivendi), indem sie ihm ein öffentliches Gelände in der Nähe der Innenstadt anbietet, quasi direkt gegenüber dem öffentlichen Krankenhaus? Générale de Santé will also von diesem städtischen Glücksfall profitieren, um seine Kliniken in der Nähe zu schließen, statt sie zu modernisieren.
Trotz seiner Propaganda der „partizipativen Demokratie“, hat die Stadtverwaltung weder uns noch irgendjemand anderen konsultiert, bevor sie ihren Machenschaften beschlossen haben, die nicht nur unseren Freiraum sondern auch die Zukunft eines Teils der Stadt bedrohen.
Warum die Tanneries unterstützen – laut und stark...
Die Politik der Stadt hat bereits das unabhängige Kino « Eldorado » und das besetzte Haus « le Toboggan » in Gefahr gebracht. Wenn sie mit diesem Projekt das Verschwinden der Tanneries plant, verschreibt sie sich auf diese Weise vor aller Augen der Sozialistischen Partei, im Sinne eines sicheren, desinfizierten, seiner Orte des Widerstands, der Experimente und der Volxkultur beraubten Frankreichs.
In der Tat, die Tanneries ist ein Veranstaltungsort, ein Wohnkollektiv, und ein Raum für autonome Informationstechnik, für die Entwicklung freier Programme und die Wartung unabhängiger Server, ein Umsonstladen, eine Auto- und Fahrradwerkstatt, ein Theaterraum, eine Siebdruckwerkstatt, ein Versammlungsort, ein Gemüsegarten, ein Zentrum der Verteilung und Erstellung alternativer Presse, ein Büro für Rechts- und Sozialberatungen für Menschen ohne Rechte und Aufenthaltsstatus, eine Bibliothek, eine Umwelt- und Projektwerkstatt, dutzende Gruppen, Kollektive und lokale Netzwerke, die hierher kommen um Abende, Aktionen, Ausstellungen und Wissensaustausch, Versammlungen und Projekte zu organisieren...
Da, wo kommunalen Kulturorte mit enormen Subventionen arbeiten und private auf der Basis von Kommerz und Sponsoren, gibt es in der Tanneries hunderte Personen, die jede Woche kommen, um eine unabhängige Kultur zu feiern und an den umsonst oder zum Selbstkostenpreis zugänglichen Aktivitäten teilzunehmen. Um seine Freiheit zu garantieren, funktionierte der Ort immer ohne Subventionen und Gehälter.
In einem Land, in dem die selbstverwalteten Strukturen quasi systematisch unterdrückt werden und dadurch prekär sind, ist die Tanneries eines der viel zu raren Beispiele von Projekten, das sich auf lange Sicht halten konnte. Es ist unter diesem Namen eine Ressourcenquelle und ein wichtiges Kettenglied der europäischen Kultur- und Autonomenszene.
Die Tanneries trägt die Umsetzung einer sozialen Vision und sie ist das Werkzeug, um uns unseren Ideen zu stellen. Wir wollen die Barrieren zwischen dem „privaten Leben“ und der „Welt der Politik“ einreißen, und wir wollen uns horizontal statt autoritär und pyramidenförmig organisieren. Wir wollen uns selbst erschaffen und unsere Leben verändern, hier und jetzt, statt auf den großen Abend zu warten. Wir stellen die Logik des Marktes und der Akkumulation in Frage und propagieren stattdessen den freien Gebrauch und solidarischen Tausch. Wir glauben noch immer, dass es möglich ist, eine Gesellschaft zu erschaffen, die nicht auf den gleichen Grundlagen beruht wie die jetzige, auf den Profit- und Herrschaftsverhältnissen, auf Rassismus, Sexismus und Homophobie.
Die Tanneries lebt nicht wie eine brave Parallelalternative, die darauf beruht, die vorhandenen Kräfte nicht zu sehr zu erschüttern: Ein folkloristischer Zoo, mundtot und abhängig vom Wohlwollen der Führer. Wenn wir da sind, dann um die Gesellschaft voranzutreiben und zu kämpfen!
Die Tanneries gibt sich nicht der Phantasie hin, sie stünde außerhalb dieser Gesellschaft, sondern sieht sich als Prozess, der sich im Vortasten bildet, ohne vorgefertigte Ideologie... Aber konträr zum normalen Zynismus der medialen Politwelt, geben wir nicht auf für den Beweis zu kämpfen, dass es möglich ist, die kapitalistische Logik in Frage zu stellen. Wir wünschen uns weiterhin mehr als die schönen Wahlgänge, die nichts als Wind erzeugen. Mit der Zeit hat die Tanneries den präzisen Beweis erbracht, dass es nicht nur realistisch, sondern gegenwärtig ist, sich selbst ohne Institutionen zu organisieren, dass es sich nicht um eine wahnsinnige Utopie junger Idealistinnen und Idealisten handelt, die dazu bestimmt sind, später ihr Fähnchen in den Wind zu hängen.
Die Tanneries, wie alle zu den Normen ihrer Umgebung konträren Orte, bildet einen einzigartigen Raum, Frucht der Träume, der Vertrautheit, der Begegnungen, der Kampfeslust so vieler Menschen. Seine Geschichte ist die vieler Generationen, die Mauern reflektieren die Freude und den Zorn, die Wut und die Leidenschaft, die Abenteuer und die Gefühle...
Unser Projekt kann weder verschoben noch zerstückelt werden. Es muss weiterbestehen im Quartier...
Was auch immer das Projekt der Raumplanung für den Stadtteil sein sollte – wir kämpfen dafür, dass das bleibt, was wir hier in zehn Jahren aufgebaut haben: Unsere Gebäude und unser Projekt in seiner Gesamtheit. Das ist keine Hexenwerk, wenn wir den Plan des verfügbaren Raums betrachten. Es ist offensichtlich, dass – mit einem politischen Willen in diesem Sinne – angemessene technische Lösungen gefunden werden.
Dank einer öffentlichen Unterstützung und einer Aufeinanderfolge von Druck und Straßenaktionen während fünf Jahren, konnte sich die Tanneries ihren Fortbestand an Ort und Stelle sichern. Vier Jahre später sind wir bereit, erneut diesen Freiraum zu verteidigen und eine Bewegung des Widerstands zu schaffen, verstärkt durch all die mit der Zeit erschaffenen Kontakte, Erfahrungen und Freundschaften. Die Tanneries, obgleich lokal solide verankert, wird auch durch eine große Gemeinschaft getragen, deren Zusammengehörigkeit keine Grenzen kennt, die sowohl zu Unterstützungsaktionen in der ganzen Welt wie zu einer Zusammenkunft zu einer physischen Verteidigung des Freiraums gegen eine Räumung mobilisieren kann.
Hoffen wir, dass dies bei Zeiten in den Köpfen der Stadtoberen von Dijon erschallt, die lange Tage und Nächte der radikalen Demonstrationen, die einige Wochen die dänische Hauptstadt gelähmt haben, und die vielen Offensiven quer durch Europa für unsere Freundinnen und Freunden vom Ungdomshuset. Im gleichen Kontext wie sie, ist unser Kampf ein globaler Kampf, damit autonome Freiräume und subversive Brennpunkte bleiben und sich über kann Europa ausbreiten.
Wir gewinnen mit all den kleinen und großen Initiativen des Protests jedes und jeder Einzelnen unter euch. Wir ermutigen euch zu jeglicher Art von Solidaritätsaktion. Ihr könnt als Minimum an das Bürgermeisteramt von Dijon schreiben, um ihnen gegenüber euren Willen auszudrücken, dass die Tanneries dort bleiben muss, wo sie ist. Falls ihr über bevorstehende Aktionen und Demonstrationen zur Unterstützung der Tanneries informiert werden wollt, schreibt eure Mail oder Handynummer an tanneries at squat dot net
Dijon, den 24. März 2007
http://squat.net/tanneries/
Übersetzt von der Autonomen Antifa Freiburg