Mit dem Rammbock angeklopft |
Schon in der Morgendämmerung zeigen sich erste Vorboten der Räumung: Oben an den Gleisen postieren sich Uniformierte. Hunde kläffen.Ein Mannschaftswagen steht auf den Straßenbahngleisen am Stern. Die Parkallee wird gesperrt, der Verkehr umgeleitet. Fast lautlos nähert sich eine Kolonne von Mannschaftswagen mit Blaulicht.
Dann die Gerichtsvollzieherin. Neben Polizeibeamten steht sie vor der Tür. Mehrfach klopfen sie. "Guten Morgen", ruft ein Beamter schließlich durch die verschlossene Tür. "Polizei." Doch die Besetzer denken gar nicht daran zu öffnen. So rücken Beamte mit einen Rammbock nach. Drei, vier, fünf Mal pocht es dumpf. Doch die fest verrammelte Tür gibt nicht nach. Schnell geben die Beamten auf. Ihre Aktion ist ohnehin nur ein Ablenkungsmanöver: Längst haben weitere Kräfte Leitern im Hochparterre angesetzt und sie mit Seilen gesichert. Über den Balkon und ein zweites Fensterstürmen sie das seit zwei Wochen besetzte Gebäude.
"Schönes Leben für alle" hatte jemand auf die Mauer der Villa an der Parkallee 5-7 gesprüht. Und: "Nummer 5 bleibt". Aus der Traum, der mit einem Notstromaggregat, Propangas aus Flaschen und ohne fließendes Wasser gelebt wurde. "Es wird in Bremen keine besetzten Häuser mehr geben", sagt Einsatzleiter Werner Feß entschlossen."Das Sozialgefüge in der Stadt ist gut. Hier muss niemand ohne Wohnung sein."
Später lässt Innensenator Kuno Böse (CDU) verbreiten: "Die Polizei und alle beteiligten Ämter und Behörden werden auch künftig dafür sorgen, dass sich eine Hausbesetzerszene in Bremen nicht etablieren kann." Mit der Räumung sei klar, dass man "keine rechtsfreien Räume dulden" wolle.
Eine kleine Gruppe von Sympathisanten hatte sich während des Einsatzesvor der Polizeiabsperrung eingefunden. "Bunte Häuser, buntes Leben sollte es viel öfter geben", skandierten die jungen Leute. Zuvor hatte ihnen ein Besetzer aus einem Fenster zugerufen: "Hallo " wir sind immer noch drin."
14 der insgesamt 20 Hausbesetzer haben sich nach Polizeiangaben freiwillig aus den Schlafräumen im zweiten Stock abführen lassen. Dorthin hatte die Gruppe sich zurückgezogen, um der Polizei den erwarteten Zugriff zu erschweren. Ihr Trick: In dem entkernten Treppenhaus musste man sich mit Leitern behelfen, um von einem Stockwerk in das andere zu gelangen. Diese Leitern zogen die Bewohner nachts hoch. Die Einsatzkräfte setzten schließlich Wurfanker und Seile ein, um in die oberen Etagen zu gelangen. Dort wurden die Besetzer mit Kabelbindern an Armen und Beinen fixiert, so Einsatzleiter Feß.
Sechs von ihnen wurden in dem entkernten Treppenhaus wie Bergsteiger nach unten abgeseilt. Sie hatten sich geweigert, selbst über die Leitern nach unten zu klettern und damit, wie angekündigt, passiven Widerstand geleistet. Die 20 Männer und Frauen im Alter von 17 bis 40 Jahren wurden anschließend erkennungsdienstlich behandelt. Sie müssen sich wegen Hausfriedensbruchs und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte verantworten. Der Besitzer der Villa hatte ihnen noch in der vergangenen Woche angeboten, seine Anzeige zurückzuziehen, falls sie das Haus freiwillig räumten. "Das", so Einsatzleiter Werner Feß, "wäre uns allen wesentlich liebergewesen."
Bernd Schneider, Bremer Nachrichten