POLITISCHE PROZESSE GEGEN BAUWAGENLEBEN GEHEN WEITER


Vorletzte Woche wurden die Verhandlungen um eine Einstellung aller Verfahren gegen die Harkortstraßen-BesetzerInnen abgebrochen, da sich die Staatsanwaltschaft weigerte, einer Gleichbehandlung aller Betroffenen zuzustimmen.

Im Herbst letzten Jahres wurden die Verhandlungen um einen neuen Platz für den geräumten Wagenplatz Bambule von dem Senat abgebrochen. Am 27.09.2003 gab es daraufhin und in Solidarität mit allen WagenbewohnerInnen eine symbolische Platzbesetzung von ca.100 Menschen in der Altonaer Harkortstraße. Dieser Platz wurde während der Verhandlungen als Möglichkeit gehandelt, auf die sich auch die DB als Eigentümerin einlassen wollte. Ziel der Besetzung war es unter anderem, darauf Aufmerksam zu machen, dass es an politischem Willen und nicht an Platz für Wagenleben in Hamburg fehlt.

Anfangs war die Polizei zwar anwesend, es gab aber keine Kommentare zu dem Betreten des Platzes. Später wurden die Feiernden auf dem Gelände beim Essen und Trinken durch immer stärkere Polizeipräsenz bedrängt. Ein Kessel wurde gezogen, der nicht mehr einfach verlassen werden konnte. Die 84 verbliebenen BesetzerInnen wurden nach etwa drei Stunden Einkesselung einzeln zur Identitätsfeststellung weggebracht. Sie wurden, zum Teil mit auf dem Rücken gefesselten Händen, in HVV-Bussen oder Polizeifahrzeugen quer durch Hamburg in verschiedene Stadtteile gefahren, wo sie in Gewahrsamszellen gesperrt wurden. Es handelte sich nach Aussage der Polizei um vorläufige Festnahmen. Die zur Identitätsfeststellung durchgeführte Ingewahrsamnahme ist zwar gängige Praxis bei der Polizei, die Rechtswidrigkeit dieser Maßnahme wurde jedoch vom Amtsgericht festgestellt. Ein Teil der vorläufig Festgenommenen wurden bis zum nächsten Morgen festgehalten. Es kam auf den Wachen zu etlichen Schikanen:

Viele mussten sich bei der Eigentumsdurchsuchung nackt ausziehen, teilweise wurde Trinken verweigert. Manche wurden zudem erkennungsdienstlich behandelt, obwohl diese Maßnahmen eine gewisse Schwere des Vergehens erfordert. Rund ein halbes Jahr später erhielten die meisten der damals Festgenommen einen Strafbefehl mit dem Vorwurf des gemeinschaftlich begangenen Hausfriedensbruches. Trotz des absolut identischen Vorwurfs schwankte die Höhe des Strafbefehles zwischen 200-1000 Euro pro Person. Die Strafbefehle und dabei vor allem die unterschiedliche Höhe wirken im Zusammenhang als überzogene Schikane, stellen einen weiterer Angriff gegen politisch Unliebsame dar und dienen der Einschüchterung. Die Betroffenen nahmen diese Verurteilung nicht hin, sondern legten Widerspruch gegen die Strafbefehle ein. Infolgedessen kam es am 13.05.2004 zum ersten Prozess gegen einen der 84 Angeklagten. Trotz Gegenanträge wurden zum Teil bewaffnete Polizisten als Zeugen vernommen. In den ersten Prozessen stellte sich folgendes heraus: Die von der Aurilles Management GmbH gestellte Anzeige bezog sich, ebenso wie die Anklage der Staatsanwaltschaft, ausdrücklich auf Personen welche sich nach Aufforderung der Polizei nicht vom Gelände entfernt hatten. Polizeizeugen vor Gericht bestätigten jedoch, dass es solch eine Aufforderung an die Personen auf dem Gelände nicht gegeben hat. Die angeblich offensichtliche Umzäunung des Geländes, ein bedeutendes Argument der Staatsanwaltschaft, wurde ebenfalls relativiert.

Es kam zu einer Unmenge an Formfehlern, so z.B. zu ungenügendem oder falschem Ausfüllen der Festnahmeformulare ( bis hin zur Fälschung der Unterschrift eines Polizeibeamten). Die Akten der Anklage sind völlig unzureichend und fehlerhaft, was anfänglich zwar vom Gericht bestätigt wurde, jedoch nicht zu einer Einstellung der Verfahren führte. Obwohl das Gericht selbst den Strafbestand in den Hauptpunkten als nicht bewiesen ansah, verurteilte es die Angeklagten zu Geldstrafen bis zu 900 \200.€

Das Plenum der Betroffenen hat sich entschlossen, in Berufung zu gehen. Zeitgleich stehen viele weitere Prozesse in erster Instanz an. Aus dem Plenum der Betroffenen wurde der Staatsanwaltschaft ein Angebot unterbreitet, dass eine gemeinschaftliche Einstellung aller Verfahren unter der Bedingung der Gleichbehandlung aller Betroffenen, also auch der bereits verhandelten Verfahren, beinhaltet. Dieser Schritt wurde unternommen, um der Staatsanwaltschaft klar zu machen, dass sie den Betroffenen und den Gerichten ein völlig überzogenes Prozedere aufzwingt, wenn sie einzelne Prozesse durchsetzt. Eine gleiche Vereinbarung für alle hätte die Möglichkeit ergeben, im Einvernehmen keine weiteren Prozesse zu führen. Die Staatsanwaltschaft hat sich dafür entschieden, die Mindestforderung nach Gleichbehandlung nicht anzunehmen, so dass wir uns gezwungen sehen, auch weiterhin die gesamten Verfahren einzeln vor Gericht zu bringen, um unsere Position durchzusetzen.

Das sich in Gerichtsurteilen bzw. in Verfahrensabläufen herrschende Politik manifestiert, ist sicherlich keine neue Erkenntniss. Das sich noch nicht einmal die Mühe gemacht wird, das Ganze in eine der bürgerlichen Rechtsprechung entsprechende Form zu bringen, auch nicht. Immer wieder erschreckend ist es trotzdem. Proteste auf der Strasse werden im Nachhinein mit Prozessen überschüttet, die Betroffenen müssen sich mit hohen Kosten für z.B. AnwältInnen oder zu zahlende Strafen herumschlagen. Das diese Form der Repression mittlerweile nicht nur sich als radikal verstehende Menschen trifft, sondern an jegliche Proteste gerichtet ist, zeigen z.B. Strafbefehle gegen StudentInnen der HWP welche gegen die Umstrukturierung der Uni vor dem Rathaus demonstriert hatten.

Wir solidarisieren uns mit den kriminalisierten StudentInnen an der HWP, den WagenbewohnerInnen, deren Wohnungen bei der Hafenstraßenaktion beschädigt wurden und allen anderen Opfern polizeilicher und sonstiger staatlicher Angriffe, die sich um eine solidarische Gesellschaft bemühen. Der Ende August von der Räumung bedrohte Bauwagenplatz Wendebecken braucht ein Recht auf selbstbestimmte Perspektive und hat unsere Solidarität.

Die Zähne zeigt, wer das Maul aufmacht!

Die weiteren Gerichtstermine sind unter: www.bambule-hamburg.org zu finden

Kontakt zu den Betroffenen gibt es über: Presse.harkortstr@nadir.org

bambulesupporter


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