Abenteuer statt Wagenburg


Unangekündigt erschien vor zwei Wochen der Treptower Bezirksbürgermeister Siegfried Stock (SPD) mit dem Leiter des bezirklichen Rechtsamtes auf der Wagenburg Lohmühle in Treptow. Diese ist noch ein Relikt aus der Nachwendezeit.

Erfahrungsgemäß bringen solche Besuche selten Gutes mit sich. So erklärte der Bürgermeister dann auch den Bewohnern, daß sie das an der Grenze zu Kreuzberg gelegene Stück des ehemaligen Mauerstreifens bis Anfang August zu verlassen hätten. Dann soll das Gelände dem Bauspielplatz "Kuhfuß" als Ausweichquartier bereitet werden, der wiederum einem Ballspielplatz für die Ernst-Friedrich-Oberschule weichen soll.

Dabei war das Gelände des "Kuhfußes" urspünglich gar nicht in die Planungen mit eingeschlossen, so Schulleiter Uhlig. Seiner Meinung nach habe die Angelegenheit eine Eigendynamik entwickelt, in der verschiedene Probleme miteinander verquickt werden. Zudem würden die Fahrten zum auswärtigen Schulsportplatz durch die Errichtung eines "Ballspielplatzes" kaum verringert.

Und auch die Betreiber des Abenteuerspielplatzes sprechen sich vehement gegen einen Umzug aus. "Denn das wäre das Aus für den Platz", erklärt Torsten Schätzchen, einer der Spielplatzleiter. Über Jahre seien am alten Standort Strukturen mit der Kiezbevölkerung aufgebaut worden. Ferner existiert jetzt die Möglichkeit, Räumlichkeiten eines benachbarten, in Kürze fertiggestellten Jugendclubs mitzunutzen.

Daher wollen die Grünen bei der BVV-Sitzung am Mittwoch gegen die geplante Errichtung des Ballspielplatzes aussprechen.

Ein weiteres Problem der Rollheimer stellt das juristische Niemandsland dar, in dem sich Wagenburgen befinden. Nach einem Beschluß des Oberverwaltungsgerichts vom 13. März 1998 sind Wagenburgen "formell und materiell illegal" und "bauordnungs- und bauplanungsrechtlich nicht genehmigungsfähig". Denoch wäre eine Räumung auf keinen Fall zwingend, da der Bezirk hier einen Ermessensspielraum besitzt. Schließlich gibt es im gesamten Bundesgebiet etwa 20 Wagenburgen die eine vertragliche Absicherung haben, so ein Wagenburgbewohner.

Bei einer Unterschriftenaktion konnten die in ihrer Nachbarschaft gut angesehenen Wagenburgler 5.000 Unterstützer für den Erhalt der Wagenburg gewinnen. Selbst Christoph Kleiner, der Planer einer Designfabrik, die auf dem gegenüberliegenden Gelände entstehen soll, sieht kein Problem in der Existenz der Wagenburg.

Vielmehr habe er vor, sich demnächst mal mit den Bewohnern der Wagenburg zu treffen.

Aus kultureller Sicht wäre das Verschwinden der Wagenburg ein Verlust für den Bezirk. So findet jeden Mittwochabend eine Kinovorführung statt. Auch auf dem Karneval der Kulturen ist der Wagenburgverein "Kulturbanausen e. V." mit seinem Silenciomobil vertreten. Außerdem stellen die Wagenburgler Unterkünfte für das Obdachlosenasyl in der Plesser Straße zur Verfügung.

Bisher wurde den Bewohnern noch kein Alternativgrundstück zur Verfügung gestellt. Dabei würden die Bewohner nach eigenen Angaben umziehen, wenn der Bezirk ihnen ein Ersatzgrundstück anbieten würde.

taz berlin, 21. Mai '99


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