Bewährungsstrafe wegen Punkrock und Parolen |
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die in Deutschland geborene Tochter kurdisch-türkischer Eltern am 1. Mai 1994 auf der "revolutionären 1.-Mai-Demonstration" in Kreuzberg das Lied "Deutschland" der Punkband "Slime" über Lautsprecher abgespielt habe. Der Refrain des Titels lautet?: "Deutschland muss sterben, damit wir leben können." Dazu habe die heute 30-Jährige Parolen wie "Deutschland verrecke", "Fuck Germany" und "Deutsche Polizisten, Mörder und Faschisten" gerufen.
Dies entspreche dem Tatbestand der zweifachen Volksverhetzung in Tateinheit mit Verunglimpfung der Bundesrepublik, erklärte die Justizpressesprecherin Michaela Blume gestern.
Der Vorwurf, die Angeklagte habe außerdem im Jahr 1995 eine Fahne der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK geschwenkt, war während des Prozesses fallen gelassen worden. Ein Video-Print hatte bewiesen, dass es sich bei der betreffenden Person nicht um die Angeklagte gehandelt hatte.
Mit dem Urteil entsprach die Staatsschutzkammer des Landgerichtes dem von der Staatsanwaltschaft beantragten Strafmaß. Zudem muss Nuran A. 120 Stunden gemeinnützige Arbeit ableisten.
Die Angeklagte durfte am vergangenen Mittwoch keine abschließende Erklärung verlesen.
Die Rechtsanwältin der Angeklagten, Viola Schröter, will sich mit dem Urteil nicht zufrieden geben?: "Der Prozess hat nicht den Beweis erbracht, dass es sich bei meiner Mandantin um die Täterin gehandelt hat." Sie will Nuran A. jetzt raten, in Revision zu gehen.
Das Gericht habe Beweisanträge und die Vorladung von Entlastungszeugen abgelehnt, beschwerte sich Schröter. Unter anderem sollte der Kulturkritiker Dietrich Diederichsen zur Entstehung des Stückes Anfang der achtziger Jahre aussagen. Der Text des inkriminierten Titels "Deutschland" spielt auf die Inschrift eines Kriegerdenkmales in Hamburg an. Die nicht indizierte Platte ist im Handel frei erhältlich.
Erst im vergangenen November hatte das Amtsgericht Tiergarten den Anmelder einer Demonstration wegen Abspielen des Songs zu 3.750 Mark Geldstrafe verurteilt.
Andreas Spannbauer / taz Berlin, 6.8.1999