21 Polizisten wegen Körperverletzung angezeigt |
[squat!net]-special zum 1. Mai 1999
Bei der "revolutionären 1.-Mai-Demonstration" hatten 15 000 Menschen gegen den Kosovo-Krieg demonstriert. Nach etwa einer Stunde kam es zu Ausschreitungen zwischen der Polizei und Demonstranten. Die Polizei nahm 122 Menschen fest, 159 Beamte wurden verletzt, die Zahl der verletzten Demonstranten ist bislang unbekannt.
Obwohl einige Polizisten versucht hätten, mäßigend auf ihre Kollegen einzuwirken, geht nach Aussage von Over aus der Dokumentation und den Protokollen hervor, daß einige Polizisten die Krawalle "zum ganz persönlichen Frustabbau genutzt haben". Der PDS-Abgeordnete zitierte aus dem Polizeifunk: "...Also Höhe Sanderstraße, wo der Tieflader war, die Bullen drehen total durch, ihr müßt mal versuchen drauf einzuwirken, daß die sich nen bißchen einkriegen irgendwie, daß die hier nen Konzept reinbringen, die schlagen alles zusammen was ihnen ... rumsteht."
Aus einem Gesprächsprotokoll gehe hervor, daß es offensichtlich Polizeieinheiten gegeben habe, die nicht der Einsatzleitung unterstanden. Der Demonstrationsanmelder hatte Verbindungsbeamten der Polizei berichtet, wie ein Polizist einer Frau "brutal mit dem Schlagstock auf den Kopf schlug". Der Demonstrationsanmelder sagte, daß es keinen Anlaß für solche Angriffe gebe. Weiter gab er zu Protokoll: "Die beiden Verbindungsbeamten gaben mir recht und betonten noch mal, daß sie über diese Einheiten keine Kontrolle hätten."
Nach Angaben von Over nahmen bei der 1.-Mai-Demonstration auch zivile Polizisten teil. Wie aus den Funkaufzeichnungen deutlich werde, seien die Beamten, die im polizeiinternen Funk "Füße" heißen, sogar von ihren uniformierten Kollegen geschlagen worden.
Wie die Polizei bestätigte, wurde gegen 21 Beamte Anzeige wegen Körperverletzung im Amt erstattet. Neun Anzeigen gaben Medienvertreter auf, die sich von Polizisten mißhandelt fühlten. Daneben erstatteten aber auch einige Polizisten Anzeige gegen Kollegen. In einem Fall ermittelt bereits die Staatsanwaltschaft. Ein Beamter einer Berliner Einheit hatte einer Frau so hart auf den Kopf geschlagen, daß der Holzschlagstock zerbrach. Namentlich ist der Mann allerdings noch nicht bekannt.
Der PDS-Abgeordnete Over forderte eine Vertrauensperson wie einen Pfarrer für Polizisten, die Anzeige gegen Kollegen erstatten wollen. "Viele Beamte haben wegen Mobbing am Arbeitsplatz nicht den Mut zur Anzeige", sagte der PDS-Politiker. Er räumte ein, daß es sicher auch gewaltbereite Autonome gegeben haben, die extra nach Berlin reisten, um sich mit den Beamten zu prügeln. Dies sei aber kein Grund für die "brutalen Exzesse" einiger Polizeieinheiten, so Over.
15.05.1999, Berliner Zeitung, Klaus Lauer