Antifaschistische Demonstration als Kriminelle Vereinigung |
Barcelona |
Am 12.10., dem Nationalfeiertag der spanischen Republik 5 Tage vor den Wahlen zum katalonischen Parlament kam es im Rahmen einer antifaschistischen Demonstration in Barcelona zu Zusammenstössen mit der Polizei. Anlass der antifaschistischen Mobilisierung war die alljährliche Kundgebung der faschistischen Partei AUN (Allianza por la Unidad Nacional- Allianz der Nationalen Einheit), die auf dem Bahnhofsvorplatz im Stadtteil Sants. Hier fanden sich mittags ca. 800 Alt- und Neonazis ein und lauschten ihrem Führer Ynestrillas.
Zeitgleich begann in knapp einem Kilometer Entfernung die Gegendemo, an der ca 3000 Menschen teilnahmen. Nachdem die AntifaschistInnen ihren Zug durch den Stadtteil beendet hatten und am Ausgangspunkt der Demo ein Polizeikordon das Vordringen zu den Faschisten verhinderte, wurden Barrikaden errichtet. Die Polizei antwortete mit Gummigeschossen und durchbrach wenig später die Blockaden um mit Schlagstöcken gegen die Demonstrantinnen vorzugehen. Die AntifaschistInnen wurden in die Seitenstrassen abgedrängt. Um ein weiteres Vordringen der überaus brutal vorgehenden Spezialeinheiten zu verhindern, wurden auch hier Barrikaden errichtet. Desweiteren kam es zu Sachschäden bei mehreren Bankfillialen.
Im Laufe der ca. 1 1/2- stündigen Auseinandersetzungen wurden 26 AntifaschistInnen festgenommen und am darauffolgenden Tag dem Haftrichter vorgeführt. Der Staatsanwalt erhob Anklage u.a. wegen "Bildung einer kriminellen Vereinigung" und beantragte Untersuchungshaft. 10 AntifaschistInnen, darunter 2 Minderjährige wurden nach 60 Stunden Haft schliesslich vorläufig auf freien Fuss gesetzt und vor dem Gericht von ihren Familien und ca. 400 FreundInnnen in Empfang genommen. Sie berichteten von schweren Misshandlungen vonseiten der Polizei. Insbesondere ein dunkelhäutiger Demonstrant und eine nichtspanische Antifaschistin trugen Platzwunden in Gesicht und am Schadel davon. Für die weiteren 14 Inhaftierten ordnete die Richterin Untersuchungshaft an. Diese Massnahme wurde mit der Gefahr für die Allgemeinheit begründet, die von den DemonstrantInnen ausgehe. Sie seien "mutmasslicher Teil der kriminellen Vereinung, die im Anschluss an die legale Demo die Ausschreitungen provoziert habe". Unter den Inhaftierten ist ein Grossteil aus anderen Städten Spaniens, 2 von ihnen sind Kurzurlauber aus dem Ausland. Weshalb gerade sie Mitglied einer angeblichen kriminellen Vereinigung in Barcelona sein sollen, bleibt schleierhaft. Zudem ist die Mehrzahl der Festgenommenen zuvor nicht strafrechlich auffälig geworden.
In der vergleichsweise kurzen Geschichte der parlamentarischen Demokratie in Spanien wird somit erstmals eine Demonstration zur kriminellen Vereinigung erklärt und TeilnehmerInnen in Untersuchungshaft festgehalten. Im Falle einer Verurteilung wegen Gründung/Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung drohen bis zu 20 Jahre Haft.
Medienreaktionen |
Nach Einschätzung der "Plataforma Antifascista", des breiten Bündnisses verschiedenster Organisationen, welches zu der Antifa- Demo aufgerufen hatte, wurde diese massive Reaktion der Strafverfolgungsbehörden erst möglich durch die diffamierende Berichterstattung der bürgerlichen Medien.
So war etwa in den auflagenstarken landesweiten Zeitungen am Tag nach den Zusammenstössen auf der ersten Seite zu lesen, ein "Tornado des Vandalismus" sei entfacht worden. Desweiteren seien die AntifaschistInnen "bis an die Zähne bewaffnet" und die Ausschreitungen detailliert geplant gewesen. Eine haarsträubende Mutmassung des Polizeisprechers fand ebenfalls regen Niederschlag in der Berichterstattung: Das Vorgehen der Demonstrationsteilnehmer erinnere an "die Stadtguerilla-Taktiken der baskischen "Jarrai", einer ETA- nahen militanten Jugendorganisation.
Einiges spreche dafür, dass die radikale Linke Barcelonas von baskischen Organisationen "indoktriniert" wurde und "führende Köpfe an Schulungen im Baskenland teilgenommen hätten". Sowohl die "Plataforma Antifascista" als auch baskische Organisationen traten diesen Mutmassungen entschieden entgegen- es gäbe selbstverständlich solidarische Kontakte, von Indoktrination oder gar Ausbildungsprogrammen könne jedoch keine Rede sein.
Die besetzten Häuser |
Die Medien rückten desweiteren die besetzten Häuser Barcelonas auf's Neue ins Visier der staatlichen Behörden. "El Periodico" und "Vanguardia" meinten so etwa, festgestellt zu haben, bei den DemonstrantInnen handele es sich um dieselben, die bei der Räumung des "Cine Princesa" im Oktober 96 massiven Widerstand geleistet hatten. Desweiteren hiess es, die besetzten Häuser dienten den AntifaschistInnen als "logistische Zentren zur Planung ihrer terroristischen Aktivitäten". In den vergangenen Tagen sehen sich die besetzten Häuser einer massiven Beobachtung ausgesetzt, das "Can Via" im Stadtteil Sants wurde am Donnerstag gar aus dem Helikopter video-überwacht.
Es ist somit eine Rechtfertigungsgrundlage für eine befürchtete Räumungswelle von den Medien geschaffen worden. Derzeit sind zahlreiche besetzte Häuser und Soziale Zentren der Stadt massiv räumungsbedroht. Die Zukunftsaussichten, insbesondere nach den mittlerweile abgehaltenen Wahlen, sind somit düster.
Solidaritätsbekundungen insbesondere an die Adresse der 14 Inhaftierten u.a. aus Valencia, Zaragoza, Madrid oder den Balearen geben aber auch Anlass zur Hoffnung. Die Bewegung Barcelonas ist derzeit bemüht, durch massive Öffentlichkeitsarbeit das verzerrte Bild, welches von ihr gezeichnet wurde zurechtzurücken und vor allem auf eine Freilassung der Gefangenen und ein Fallenlassen der Anklage hinzuwirken.
Es finden täglich Kundgebungen vor den Knästen statt, am Samstag (16.10.'99) fanden sich ca. 1500 Menschen ein, um ihre Solidarität mit den Gefangenen zu bekunden. Auf einer Demonstration am Freitag in Madrid forderten ca. 1000 Menschen die unmittelbare Freilassung. Gewerkschaften, einzelne Parteien und zahlreiche Organisationen schlossen sich dieser Forderung an. Nächstes Wochenende (23./24.10.'99) findet in Barcelona eine weitere Demonstration statt, zu der mehrere tausend Menschen erwartet werden.
Bleibt abzuwarten, wie die staatlichen Organe nun, nachdem über die künftige Zusammensetzung des katalonischen Parlaments entschieden ist (die Wahlbeteiligung in Barcelona lag bei rund 60%), auf diesen öffentlichen Druck reagieren.
[squat!net]