"Steinewerfer zogen ungehindert durch Oranienstraße" |
Anfang der Woche hatte die Antifa-Szene per Mundpropaganda zu einer Demonstration aufgerufen, um gegen den Skinhead- Überfall zwei Tage zuvor in Magdeburg auf die Wohnung eines Punkers zu protestieren. Am Mittwoch abend zogen bis zu 200 Personen durch Kreuzberg, wobei es zu Ausschreitungen kam.
Nach Polizeiangaben sind etwa 50 Personen zur SPD-Parteizentrale im Willy-Brandt-Haus gezogen, wo zwanzig Fensterscheiben mit Pflastersteinen eingeworfen wurden. Nach Angaben eines SPD-Sprechers beläuft sich der Schaden auf bis zu 100.000 Mark. Gestern und heute tagt dort der Vorstand der SPD-Bundestagsfraktion. Zuvor war die Gruppe mit einem quer über die Fahrbahn ausgebreiteten Transparent durch die Oranienstraße gezogen. Am Heinrichplatz demolierten Unbekannte die Schaufenster eines Herrenausstatters. Der Sachschaden beläuft sich auf etwa 10.000 Mark, sagte gestern der Inhaber, Bodo Plaul, zur taz.
"Das letzte Mal ist so etwas am 1. Mai 1989 passiert", sagte der 37jährige weiter. Als Steine auf seinen Laden geworfen wurden, habe er sofort die Polizei gerufen. "Ich hatte Angst", so Plaul. Die Demonstranten, "ganz normale Leute in Jeans und Kapuzen- T-Shirts", seien "wütend" gewesen, "die Gesichter waren Fratzen". Doch erst eine halbe Stunde später sei die Polizei erschienen. "Die Steinewerfer konnten ungehindert durch die Oranienstraße ziehen", kritisiert der Ladenbesitzer die Polizei. Plaul will den Senat für den Schaden regreßpflichtig machen.
Die Polizei wehrt sich gegen diesen Vorwurf. Fünf Minuten nach dem Hinweis auf die Spontandemo sei eine Direktionshundertschaft Richtung Kotti gefahren, so ein Polizeisprecher. Kurz darauf seien die Beamten am Heinrichplatz eingetroffen. "Die Beamten haben sich weniger um die Sachbeschädigung, sondern um die Demo gekümmert", begründete der Sprecher "die recht späte Anzeigenaufnahme" bei dem Herrenausstatter. Die Polizei hatte gestern noch keinerlei Täterhinweise.
Barbara Bollwahn/Taz