Zur Rämung der Pfarrstraße 104 am 24. Februar 1998
Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich' s gänzlich ungeniert
Zur Räumung des letzten besetzten Berliner Hauses in der Pfarrstraße
104 erklärt der PDS-Abgeordnete Freke Over:
Die Pfarrstraße 104 wurde 1990 besetzt. Bis Ende des Jahres 1997
verhandelten die Besetzer unter Vermittlung des Bezirksbürgermeisters
Wolfram Friedersdorff mit dem Eigentümer und Großinvestor Jost. Nach
dem Abbruch der Verhandlungen durch den Eigentümer erklärten sich die
Besetzer grundsätzlich bereit, in ein Ersatzobjekt umzuziehen. Noch vor
Umsetzung dieses Projektes durch das Bezirksamt Lichtenberg und dem Sanierungsträger
SPI schlug Ex-General Jörg Schönbohm wieder zu. Am Dienstag, dem
24. Februar um 8 Uhr früh, begannen die Beamten der Direktion 6 mit der Räumung.
Als erstes erschossen sie einen Hund, der sich nach Aussage der Besetzer völlig
friedlich verhielt. Zum "unrechtlichen" Hintergrund erklärte der
Leiter der Direktion 6, Herr Krömer, er hätte die Räumung
angeordnet "zum Schutz der privaten Rechte des Investors, weil er den
Zivilrechtsweg nicht gehen konnte".
Hintergrund ist ein Strafantrag und Räumungsbegehren, daß der
Großinvestor schon während der Verhandlungen im Sommer 1997 stellte.
Eine Zustellung auch über den Gerichtsvollzieher sei nicht möglich
gewesen, behauptet der Direktionsleiter. Dies wird vom Rechtsanwalt der
Hausbesetzer, Herrn Endesfelder, aufs schärfste bestritten. Er verweist
darauf, daß etliche Bewohner teilweise seit Jahren im Haus polizeilich
gemeldet sind. Auch diesen wird durch die Polizei eine Rückkehr in das Haus
verweigert, obwohl sie nur nach einer "erfolgreichen" Räumungsklaghe
räumbar wären.
Innensenator Jörg Schönbohm setzt offensichtlich noch eins drauf
in seiner langen Kette von halb- und illegalen Polizeiaktionen. Nicht nur durch
die Tatsache, daß er sich über die Senatsmaßgabe, im Winter
nicht zu räumen, hinwegsetzt, sondern vor allen Dingen dadurch, daß
er einen Direktionsleiter Recht sprechen läßt, verläßt er
Grundprinzipien des demokratischen Rechtsstaates.
Autor: Freke Over