Brandanschlag als "Warnung" an Kaiser's


In einem Bezichtigungsschreiben attackieren VerfasserInnen die Flüchtlingspolitik des Senats. Sie warnen die Handelskette, sich an dem geplanten Wertgutscheinsystem für Flüchtlinge zu beteiligen. Kaiser's bleibt bei seinen Plänen

Der Brandanschlag auf einen Kaiser's Supermarkt am Teutoburger Platz am vergangenen Wochenende richtet sich offenbar gegen die Flüchtlingspolitik des Senats. In einem Bezichtigungsschreiben heißt es nach Angaben des Sprechers von Innensenator Schönbohm, Thomas Raabe: "Wir verstehen diese Aktion als Warnung an die Tengelmanngruppe (Kaiser's, Plus usw.), sich an dem geplanten Warengutscheinabrechnungssystem für alle 32.000 in Berlin lebenden Flüchtlinge zu beteiligen."

Bisher hat sich allerdings keine Gruppe zu dem Anschlag bekannt. Das Schreiben sei lediglich, so Raabe, mit "Das Gutscheinsystem zu Fall bringen, freies Fluten" unterschrieben. Die VerfasserInnen kritisieren in dem Papier, daß alle AsylbewerberInnen und Flüchtlinge zukünftig bargeldlos "mit Gutscheinen bzw. Chipkarten bei Berliner Einzelhändlern bzw. Lebensmittelketten" einkaufen sollen. Weiter heißt es "Dieser Terror soll den Flüchtlingsdruck auf Berlin mindern. So drücken die Schweine das aus."

Die Gesundheitsverwaltung und die Sorat GmbH hatten in den vergangenen Wochen mit der Kaiser's-Supermarktkette Gespräche geführt, um "zu überlegen, wie die Versorgung von Asylbewerbern geändert oder verbessert werden könnte", sagte gestern Kaiser's Personalleiter Willy Schellen. Jedoch sei die Verwaltung auch an andere Ketten und Einzelhändler herangetreten. Trotz des Anschlags im Prenzlauer Berg - der Supermarkt brannte völlig aus - will sich Kaiser's an einem möglichen Wertgutscheinsystem für Flüchtlinge in Zukunft beteiligen. "Wir ziehen uns nicht aus den Gesprächen zurück", sagte Schellen.

Vor zwei Wochen hatte die Gesundheitsverwaltung beschlossen, die von der Sorat GmbH betriebenen Magazinläden so bald wie möglich zu schließen. Derzeit können die 2.300 Betroffenen zusätzlich bei zwei Einzelhändlern in Wedding und Tiergarten einkaufen, weiterhin bargeldlos. "Wenn sich genügend Einzelhändler finden, dann werden die Magazinläden endgültig geschlossen", sagte Wolf-Rüdiger Westphal, Leiter des Landesamtes für Soziale Zentrale Aufgaben. Deshalb würden die Sorat GmbH und seine Verwaltung Gespräche mit Supermarktketten und Einzelhändlern führen. Langfristig sei weiterhin geplant, das bargeldlose Einkaufssystem auf alle Flüchtlinge in der Stadt auszuweiten.

Nach Angaben von Robert Guß, Kaiser's Regionalleiter Handel, sind durch den Brandanschlag Waren im Wert von einer Million Mark vernichtet worden. Der Schäden des Gebäudes sei "immens", aber die Grundsubstanz der ehemaligen HO-Kaufhalle stehe noch. Er bezifferte den Sachschaden des Gebäudes auf "ein paar Millionen Mark". Er geht jedoch davon aus, daß der Supermarkt, Eigentümerin des Gebäudes ist die Treuhand-Nachfolgegesellschaft BvS, wieder aufgebaut werde. Die 40 MitarbeiterInnen sind laut Guß in andere Filialen versetzt worden.

Der Sprecher des Innensenators Raabe sagte gestern, daß der Polizeiliche Staatsschutz nach einer Gruppe "aus dem linksextremen Spektrum" suche, die mit "Kleingruppentaktik" agierten. Zur Aufklärung hat der Staatsschutz eine Arbeitsgruppe eingerichtet.

Julia Naumann

TAZ-BERLIN Nr. 5349 vom 07.10.1997 Seite 21 Berlin Aktuell 101 Zeilen TAZ-Bericht Julia Naumann


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