Redebeitrag der Wagenburg "Laster & Hänger" zur Demo am 20.1.2001


  Berlin braucht Wagenburgen in der Innenstadt!

Berlin braucht selbständige Menschen mit Eigeninitiative, welche die Stadt mit ihrer Subkultur bereichern. Berlin soll Kulturmetropole bleiben und nicht der größte Banken- und Bürofriedhof Deutschlands werden. Die Politik muß sich am Umgang mit Andersdenkenden und Anderslebenden messen lassen. Die Vielfalt macht eine Weltstadt aus. Gerade in Berlin mit seiner wechselvollen Geschichte, die so oft Schauplatz von Gewalt und Intoleranz war. Wo Platz für Paläste ist, ist auch Platz für elf, zwölf, viele Wagenburgen.

  Keine Vertreibung von Wagenburgen aus der Stadt!

Ein Verbringungsgewahrsam ist im Polizeijargon das Verhaften mißliebiger Personen in der Innenstadt, welche dann gewaltsam an den äußersten Stadtrand oder weit außerhalb verfrachtet werden. Für Personen, die im Stadtbild unerwünscht sind, werden Platzverweise ausgesprochen. Eine gängige Methode, wie in vielen Städten die einkommenschwächsten Teile der Bevölkerung aus dem Stadtkern verdrängt werden sollen. So entstehen für bestimmte Teile der Bevölkerung - für Obdachlose, Punks und Drogenkranke - verbotene Zonen in den Innenstädten.

So erhalten Menschen aufgrund ihrer Weltanschauung und/oder ihres Geldbeutels den Status von Vogelfreien. Wie sich das mit den Grundsätzen eines Rechtsstaats vereinen lassen soll, ist schleierhaft, um es vorsichtig auszudrücken.

In Berlin soll mit den Lebensgemeinschaften der Wagenbewohner in ähnlicher Weise verfahren werden - also auch mit Uns, der Wagenburg "Laster & Hänger". Jegliches Zusammenstehen unserer Gruppe - die Bildung einer Wagenburg - soll sofort von der Polizei aufgelöst werden. Nach der Räumung des Mauerstreifens an der Schwedter-Straße Ecke Gleimstrasse kam es zu einer permanenten Überwachung und Kontrolle von uns durch eine Einsatzhundertschaft der Direktion 7 aus Berlin Marzahn, die mehrere Wochen angedauert hat.

Wir nutzten vom Mai 1996 bis zum 26. November 2000 das Gelände des ehemaligen Saalbaues, Am Friedrichshain 16-18 in Prenzlauer Berg. Ein Grundstück mit einer seltsamen Geschichte, das sei nur am Rand erwähnt. Ein Grundstück, das einige Spekulanten zu einem Preis erworben haben, der bei einem Bruchteil des heutigen Marktwerts liegt. Wonach kein Hahn kräht. Jetzt wird dort ein Hotel für 160 Millionen Mark gebaut.

Die Politik des Senats gegen die Wagenburgen folgt der Linie des Ex-Generals und früheren Innensenators von Berlin, Jörg Schönbohm, der unter anderem einen Zuzugsstop für Ausländer in Kreuzberg gefordert hat, damit Deutschland in Kreuzberg wieder erkennbar werden solle. Schönbohm glaubte sich profilieren zu können, als er die Wagenburg an der East-Side-Gallery räumen ließ, und verkündete bis Ende 1996 sämtliche Wagenburgen und besetzten Häuser der Stadt räumen zu lassen, um sie der Verwertung von Grundstücks- und Immobilienspekulanten zuzuführen. Jetzt als Innenminister in Brandenburg ist er damit beschäftigt, die Untaten rechtsextremistischer Mörder mit Sachbeschädigungen durch Linke gleichzusetzen. Mensch sieht daran welchen Stellenwert das Leben von Menschen in seinen Augen hat. Schönbohm gehört zu den Politikern mit extrem rechter Weltanschauung, die in der CDU mehr Macht und politischen Einfluß haben, als wenn sie sich den kleinen, offen rechtsextremistischen Parteien anschließen.

Sie geben sich als aufrechte Demokraten, und versuchen die Gesellschaft immer weiter nach rechts zu orientieren. Fataler Weise haben Menschen wie er großen Einfluß auf die Politik dieser Stadt und der ganzen Gesellschaft. Die Gesellschaft versäumt es etwa Landowski in seine Schranken zu verweisen, wenn er Menschen zu Müll und Ratten stigmatisiert. Wo ist das demokratische Bewußtsein vieler Politiker und eines Großteils der Bevölkerung? Selbst Polizeikriminologen stellen fest, daß 15% der Bevölkerung ein autoritäres, rassistisches und intolerantes Bewußtsein haben.

Die aktuelle Politik des Schönbohmnachfolgers Werthebach und des Senats ist es, unsere Lebensgemeinschaft entweder aufzulösen oder an den äußersten Stadtrand zu verdrängen. Werthebach läßt den Zug auf den Gleisen weiterrollen, deren Weichen Schönbohm gestellt hat.

Entgegen der Meinung mancher intoleranter und vorurteilsbehafteter Bürger und Bürgerinnen Berlins, war unser bisher genutztes Gelände kein Kriminalitätsschwerpunkt.Wir hatten ein gutes Verhältnis zu den Anwohnern. Auch mit dem zuständigen Abschnitt der Schutzpolizei hatten wir keine Schwierigkeiten.

  Wir fordern:

  Und jetzt noch ein Gedicht zum Schluß:

Geld regiert die Welt
Deshalb gehorche ich dem Geld.
Ihr seht alle nicht wohin das führt.
Wie gut das Geld die Dummköpfe regiert.
Im Namen des Gesetzes
Nicht im Namen der Gerechtigkeit
Im Namen des Volkes
Nicht der Menschen
Im Namen der Schizophrenie
Kraft eurer Brutalität

Und übrigends:

Wir brauchen keine Regierung!

[squat!net]


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