500 Peanuts für leeres Haus


Leerstand ist illegal! Das war das Schlagwort einer symbolischen Hausbesetzung in der Stargarder Straße im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg. Am Dienstag hatten sich pünktlich um 14Uhr ein paar Dutzend junge Leute vor dem Haus Nummer 52 versammelt, um das seit zehn Jahren leerstehende Haus demonstrativ zu vereinnahmen. Auf den ersten Blick mag das alles nichts Neues sein. Zwar scheinen Hausbesetzungen ein bißchen aus der Mode gekommen zu sein, aber auf eine reiche Tradition kann Berlin schon verweisen.

Neu ist daran schon, daß nach Aussagen der Initiatoren damit der Auftakt einer neuen Besetzerbewegung geschaffen werden soll. Die Ziele und Intentionen sind die gleichen geblieben: Junge Menschen wollen selbstverwaltet wohnen, Miete zahlen, aber keinen Streß mit dem Vermieter haben und gegen den Verfall von leerstehendem Wohnraum kämpfen. Neu war die Aufmachung als Versteigerung des unbewohnten Hauses, das Eigentum des Bundesvermögensamtes ist. Der Kabarettist Dr. Seltsam erhielt vor einer Woche die Anfrage einer »deutschen Bank«, ob er nicht die Moderation übernehmen könne und war auch pünktlich und angemessen uniformiert - schwarzer Anzug und rote Fliege - am Objekt. Nach Öffnung des Hauses mit Akkubohrer und anschließender Besichtigung gab es noch einige Informationen über Zustand und Nutzungsmöglichkeiten, bis Dr. Seltsam die Versteigerung feierlich mit einem Mindestgebot von 15 Peanuts für eröffnet erklärte. Nach turbulentem Gebotswirrwarr und Zusammenschluß der »IG Ballermann« mit »Volksstrom« und »Bewaffneter Haufen« zu einer Bietergemeinschaft, konnte sich auch das Gebot der Interessentengruppe »Con Fusion« von 300 Peanuts plus ein Paar Schuhe nicht durchsetzen. Schließlich wurde dann das Haus Stargarder Str. 52 für ganze 500 Peanuts an alle Mitbietenden versteigert. Danach wurde der gelunge Geschäftsabschluß gebührend mit Sekt und Chilli aus der Gulaschkanone gefeiert.

Gestört wurde die Party allerdings durch das Auftauchen einiger Polizisten, die das Gelände sperrten, die Transparente abrissen und die Personalien aller Anwesenden aufnahmen. Nun droht den Veranstaltern eine Anzeige wegen Hausfriedensbruches.

Die Initiatoren, ein Zusammenschluß von diversen Wohngemeinschaften, sagten im Anschluß der Aktion gegenüber jW, daß ihre Ziele darin bestehen, sich gegen die seit der Wende laufende Umstrukturierung der Bevölkerung zugunsten von Yuppies, Berufssöhnen und -töchtern und diverser sonstiger reicher Angeber zu wehren. Die Häuser sollen als Wohnraum und nicht nur als Büroflächen nutzbar gemacht werden. Hilfe erwarten sie sich von einem Runden Tisch, welcher eigentlich bereits am Dienstag abend mit den Besetzern und Vertretern des Bundesvermögensamtes eine Einigung erzielen wollte. Das Gespräch wurde auf Grund der Polizeiaktion auf Freitag vertagt. Die jungen Organisatoren erwarten schon bald eine Entscheidungen des Amtes hinsichtlich der Übergabe des Hauses und wollen auch zukünftig Aktionen dieser Art veranstalten, um auf die zahlreichen ungenutzten und verfallenden Wohnflächen aufmerksam zu machen.

http://www.jungewelt.de/2000/01-13/014.shtml

Anne Heinert


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