Interview zu Potsam aus der jungen Welt |
Am Donnerstag vergangener Woche wurde das alternative Kulturprojekt Boumann's in Potsdam nach einem Zimmerbrand von der Polizei aus Sicherheitsgründen geräumt. Wie ist die Lage eine Woche danach?
Eine Woche danach wurden uns die Räumlichkeiten noch immer nicht zurückgegeben. Nach Gesprächen mit dem Eigentümer hat es den Anschein, daß die Polizei die momentane Verfügungsgewalt über das Haus beansprucht.
Wie kommt Ihr zu dem Schluß?
Auf Nachfragen, was mit dem Schlüssel geschehen ist, erklärte uns der Hauseigentümer, daß die Polizei ihn noch nicht ausgehändigt habe. Die Türen waren nach dem Polizeieinsatz von der Sicherheitsfirma Sitex verriegelt worden. Nach Angaben der Polizei müßten die Ermittlungen nach dem Brand noch weiter geführt werden.
Das hört sich nach einem Großbrand an.
Nein, auf keinen Fall. Es hat in einem Zimmer im Hinterhaus gebrannt. Man muß sich eine Vorderhausfront mit zwei separaten Hinterhausflügeln vorstellen. In einem der Hinterhausflügel hat es in einem Zimmer gebrannt. Die Feuerwehr hat den Brand ziemlich schnell löschen können, so daß der größte Schaden eigentlich in dem Zimmer und in dem Dachstuhl darüber entstanden ist.
Der Besitzer hatte Euch an dem Abend nach Besichtigung der Räume zugesagt, daß Ihr das Haus wieder betreten könnt?
Ja, das ist richtig.
Inwieweit steht Ihr mit dem Eigentümer in Kontakt?
Wir stehen bestimmt schon seit einem Jahr mit dem Eigentümer im ständigen Kontakt und haben bereits verschiedene Baumaßnahmen mit ihm ausgehandelt. Dazu gehören Instandsetzungsmaßnahmen, die der Erlaubnis der Denkmalpflege bedurften. Eigentlich war die Verhandlung bis jetzt ganz gut. Daher gingen wir fest davon aus, das Haus bald wieder betreten zu können. Im Moment scheint aber nicht der Eigentümer, sondern die Innenverwaltung über das Anwesen zu bestimmen.
Die Polizeiaktion hatte noch weitere Konsequenzen. Es wurden mehrere Leute festgenommen. Wie viele sind noch inhaftiert?
Bei dieser Polizeiaktion ist der Vorbeugegewahrsam von vier Tagen in Brandenburg überhaupt das erste Mal angewandt worden. Erst am Mittwoch abend sind die letzten Inhaftierten plötzlich freigelassen worden. Wir vermuten, daß der öffentliche Druck und das Handeln der Anwälte zur vorzeitigen Entlassung der Inhaftierten geführt hat. Eigentlich hätten sie erst heute rauskommen sollen.
Die Räumung und das plötzliche Vorgehen gegen das Kulturprojekt wird von Euch in einem politischen Zusammenhang gesehen. Welche Indizien gibt es dafür?
Es ging hier schon vor einem Jahr durch die Presse, daß Potsdam für die Bundesgartenschau nächstes Jahr sauber sein soll. Die Innenverwaltung unter Jörg Schönbohm versucht also, alles Andersartige aus der Innenstadt zu entfernen. Dabei besteht eine gute Zusammenarbeit mit der lokalen Presse. Die Polizei führte am vergangenen Donnerstag Journalisten und Fotographen durch die einzelnen privaten Zimmer. Das ist ein übler Eingriff in die Privatsphäre, der nur Stoff für die Hetzkampagne der lokalen Presse gegen Hausbesetzer und Sympathisanten lieferte. Auf diese Kampagne werden wir angemessen antworten. So wird gegen den Kreisvorsitzenden der Jungen Union, Sebastian Schütze, eine Verleumdungsklage gestellt. Er hat uns in der Boulevardpresse bezichtigt, in den Räumen mit Drogen und Waffen gehandelt zu haben.
Auch die Polizeipräsenz ist seither in Potsdam verstärkt worden. Am Montag wurden auf offener Straße 13 Leute festgenommen. Ihnen wurde vorgeworfen, auf dem Weg zu gewalttätigen Protesten gegen die ILA zu sein.
Ergo: Die Polizei will unter Federführung von Schönbohm die Innenstadt säubern, und Teile der lokalen Presse stehen ihr dabei zur Seite. Heißt das, daß der Hauseigentümer und die Mieter quasi entmündigt wurden?
Auf jeden Fall.
Interview: Harald Neuber
Am Montag (12.6.2000) findet eine Demonstration gegen die Räumung statt. Beginn um 14 Uhr vorm Deserteurdenkmal am Platz der Einheit in Potsdam
[squat!net]