Räumung in Potsdam nach Zimmerbrand |
Potsdams OB Platzeck: Raum für alternative Lebensentwürfe - aber Einhalten der Rechtsnormen
jm Potsdam - Die Potsdamer Stadtverwaltung setzt auch nach der am Himmelfahrtstag erfolgten Räumung des Hauses Kurfürstenstraße 5 (wir berichteten) auf den Dialog mit den Hausbesetzern. Der bereits vor fünf Jahren eingeschlagene Weg der Vernunft und der Deeskalation sei «im Wesentlichen von Erfolg gekrönt» gewesen, sagt Oberbürgermeister Matthias Platzeck (SPD). Potsdam mit einer Uni und studentischem Leben werde immer auch mit alternativen Lebensentwürfen konfrontiert sein. Aufgabe der Stadt sei dabei, die Einhaltung der Rechtsnormen und Sicherheit für alle Bürger zu gewährleisten.
Anfang der 90er-Jahre waren in Potsdam mehr als 30 Häuser besetzt.
Höhepunkt waren Straßenschlachten und brennende Häuser in der Gutenbergstraße. Heute seien noch maximal vier Häuser besetzt, sagt die Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses, Monika Keilholz (SPD).
Besonders der städtische Sanierungsträger hatte sich in der Vergangenheit für die Legalisierung von Wohnverhältnissen eingesetzt und den Bewohnern bei bevorstehenden Sanierungen Alternativen angeboten.
Den Dialog will Potsdam auch im Fall der Kurfürstenstraße 5 nicht abbrechen lassen. Für Montag seien Gespräche zwischen den ehemaligen Bewohnern, dem Hauseigentümer und der Verwaltung geplant, kündigt Frau Keilholz an. Auch Platzeck sieht die Frage eines möglichen erneuten Einzugs der jungen Leute als noch nicht entschieden an.
Die rund zehn Bewohner hatten den Seitenflügel des unsanierten Holländerhauses mit Duldung des Eigentümers genutzt. Ein durch ein offenbar unsachgemäß angeschlossenes Notstromaggregat verursachter Brand hatte zur Räumung des Hauses geführt.
Gutachter und Bauaufsicht haben nun über die Sperrung des Hauses zu befinden.
Auf Kritik stößt die städtische Anti-Gewalt-Strategie unter anderem bei der Jungen Union. Die besetzten Häuser seien «Keimzellen für Kriminalität», heißt es in einer Presseerklärung.
Der CDU-Nachwuchs fordert die sofortige Räumung aller besetzten Gebäude.
Straßenschlacht um ein besetztes Haus
Nach der Räumung in der Kurfürstenstraße will Stadt mit Besetzern und Eigentümer verhandeln
Katrin Bischoff
Das Haus in der Kurfürstenstraße 5 in Potsdam ist verrammelt.
Polizisten stehen vor dem Eingang. Eine Sicherheitstür aus Blech verhindert seit Donnerstagabend Eindringlingen den Zutritt zum Haus und auch in eine im Haus befindliche Szene-Kneipe. Am Donnerstag war es hier zwischen etwa 50 Angehörigen der Hausbesetzerszene und 130 Polizisten zu einer Straßenschlacht gekommen, als das Haus geräumt werden sollte. "Je eine Polizeistreife steht vor und hinter dem Haus", sagt Polizeisprecherin Angelika Christen am Freitag. Die Lage sei ruhig. Trotzdem seien noch fünf Funkstreifenwagen in unmittelbarer Nähe des Hauses in der Kurfürstenstraße unterwegs, um eventuelle Ansammlungen von Hausbesetzern sofort auflösen zu können, sagte Christen.
Zutritt verwehrt
Auslöser der Räumung war ein offenbar durch einen elektrischen Defekt ausgelöster Zimmerbrand im Hinterhaus des Gebäudes, bei dem niemand verletzt wurde. Bei der anschließenden baulichen und elektrischen Begutachtung des Hauses hatte ein Sachverständiger die Sicherung des Gebäudes empfohlen. Den in dem Haus wohnenden Jugendlichen wurde der zuvor zugesagte Zutritt verwehrt. Daraufhin drangen etwa 30 Hausbesetzer und Sympathisanten gewaltsam in die Räume ein und verrammelten die Türen. Flaschen flogen, die Polizei setzte Tränengas ein. Kurz vor 19 Uhr verließen die Hausbesetzer friedlich das Gebäude. Sie wurden zunächst zur erkennungsdienstlichen Behandlung mitgenommen.
Monika Keilholz (SPD), die Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses, ist über die Räumung des Hauses alles andere als zufrieden. "Ich hatte am Donnerstagabend, als ich in die Kurfürstenstraße kam, den Eindruck, dass nicht etwa der Brand vom Morgen Grund für die Räumung war. Dafür war das Polizeiaufgebot einfach zu groß", sagt sie. Zumal die Verantwortlichen über den Zustand der elektrischen Leitungen im Haus schon lange vorher informiert waren und der Hauseigentümer die zehn im Haus lebenden jungen Leute geduldet hatte. "Mir ist die Aktion völlig unklar." Jedoch wolle das Jugendamt der Stadt am Montag mit dem Eigentümer des Hauses im Holländerviertel und den Besetzern des Gebäudes beraten. Bis dahin müssten die Hausbesetzer bei Freunden unterkommen. "Es wäre schön, wenn wir auch dort ein zunächst auf ein Jahr befristetes Wohnprojekt für junge Leute starten könnten, wie es schon mit anderen besetzten Häusern in Potsdam geschehen ist", sagt Monika Keilholz.
Die Junge Union in Potsdam begrüßt hingegen die Polizeiaktion in der Kurfürstenstraße. "Es sollten alle besetzten Häuser in der Stadt - und das sind nach meiner Information noch sieben - geräumt werden", sagt der stellvertretende Kreisvorsitzende der Jungen Union, Sebastian Schütze. Die Krawalle am Donnerstag hätten gezeigt, wie gewaltbereit "diese Kriminellen" seien. Die Häuser seien eine Keimzelle der Kriminalität. "Jeder Schüler weiß, dass in der Kurfürstenstraße 5 mit Drogen und Waffen gehandelt wird. Das haben Razzien der Polizei in der Vergangenheit bewiesen", sagt der Potsdamer JU-Vizechef.
"Tolerierungspolitik gescheitert"
Das erneute Aufflammen des Konfliktes zeige, dass die jahrelange Tolerierungspolitik der Stadt gegenüber den Besetzern gescheitert sei. "Als es Anfang der 90er-Jahre noch einen gewissen Wohnungsmangel in Potsdam gab, wurden Hausbesetzungen geduldet", sagt Schütze. Jetzt wohnten aber nur noch Leute in den Häusern, die für Nichts in der Innenstadt leben wollen und sich ihr Geld durch einen illegalen Kneipenbetrieb und Bettelei verdienen." Dies verletze das Sicherheitsbedürfnis der Potsdamer und Touristen.
Dass in der Kurfürstenstraße 5 in der Vergangenheit mit Drogen und Waffen gehandelt wurde, kann Polizeisprecherin Angelika Christen nicht bestätigen. "Wenn es dort zu kriminellen Handlungen gekommen wäre, hätten wir dieses Haus mit Sicherheit schon früher geräumt", sagt sie.
Polizei nimmt Hausbesetzer in Gewahrsam
Polizei nach Räumung eines Hauses in Alarmbereitschaft
POTSDAM. In Potsdam ist es am Sonntag erneut zu Auseinandersetzungen zwischen Hausbesetzern und der Polizei gekommen. Nach Polizeiangaben versammelten sich am Nachmittag rund 60 Personen, vorwiegend Jugendliche, mit Hunden und Transparenten auf dem innerstädtischen Bassinplatz. Als die Beamten die Menge auflösen wollte, habe sich ein Großteil der Gruppe Platzverweisen und einer Feststellung der Personalien widersetzt. An einem Funkwagen wurden die - und Frontscheibe zerstört. Die Polizei nahm rund 30 Personen in Gewahrsam. Derzeit werde geprüft, ob für sie beim Amtsgericht Vorbeugegewahrsam beantragt wird. Von dieser Maßnahme sind bislang zehn mutmaßliche Randalierer betroffen. Sie können bis zu vier Tage festgehalten werden.
Die Unruhen waren aufgeflammt, nachdem die Polizei am Donnerstagabend rund 30 Jugendliche gezwungen hatte, ein Haus im Potsdamer Holländerviertel zu verlassen. Dort war es zuvor zu einem Zimmerbrand gekommen, der nur geringen Sachschaden anrichtete. In dem Haus lebten Angehörige der autonomen Szene mit Duldung des Hauseigentümers. Die Szene befürchtet nun, dass solche Gebäude stadtweit geräumt werden sollen.
In der Nacht zum Sonntag hatte die Polizei drei Hausbesetzer in Vorbeugegewahrsam genommen. Sie hätten Passanten in den Bahnhofspassagen angepöbelt, sagte ein Sprecher der Polizei.
Damit erhöhte sich die Zahl der festgesetzten Hausbesetzer auf zehn. Sieben der Festgenommenen sollen morgen, die Übrigen am Donnerstag wieder auf freien Fuß gesetzt werden.
Schaufenster eingeschlagen
Nachdem es in der Nacht zum Freitag zu teilweise erheblichen Sachbeschädigungen gekommen war, hatten die Beamten zwölf Personen vorläufig festgenommen. Bei den Zusammenstößen wurden vier Polizisten und einer der Hausbesetzer verletzt.
Einem Beamten sei eine Eisenstange ins Genick geschlagen worden, sagte Polizeisprecher Geerd Piorkowski. Bei fünf Bankfilialen demolierten Randalierer die Scheiben. Auch das Schaufenster einer Buchhandlung ging zu Bruch. Piorkowski machte deutlich, dass die Polizei gegen Randalierer hart durchgreifen werde. Dabei sei jedoch nicht etwa geplant, alle zehn bis 15 Häuser in Potsdam zu räumen, wo die Bewohner bislang von den Eigentümern geduldet werden.
Oberbürgermeister Matthias Platzeck (SPD) und Bürgermeister Jann Jakobs erklärten, dass sie weiter mit Hausbesetzern verhandeln wollen. (dpa)
Artikel vom 5. Juni 2000 / Aktueller Newsticker BerlinOnline
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