BauwagenbewohnerInnen sollen 56.000.- für ihre Räumung zahlen


Der Wagenplatz K18 in Kassel wurde am 27.11.1997 polizeilich geräumt. 15 BewohnerInnen wurden quasi obdachlos, ihre Wagen auf eine Wiese geschleppt und für eine Woche von privaten Sicherheitsdiensten bewacht.

Der Wagenplatz bestand seit 8 Jahren.

Auf dem Gelände sollte ein Park gebaut und dafür die Fläche planiert werden. Die damit beauftragte Baufirma hatte bereits seit einigen Wochen angefangen zu arbeiten und baggerte sich immer näher an die BewohnerInnen heran.

Die Räumung wurde von der Gesamthochschule Kassel, der Besitzerin der Fläche, in Absprache mit der Polizei durchgesetzt. Zuvor hatte die Hochschule beim Landgericht bzw. Oberlandesgericht versucht, eine einstweilige Verfügung auf Räumung zu erlangen - vergeblich. Das Gericht lehnte ab, da es an "Parteibestimmtheit" fehle, also weil die Klage gegen nicht bekannte Personen angestrengt wurde. Außerdem sei eine Dringlichkeit, die eine einstweilige Verfügung rechtfertigen würde, nicht gegeben, wußte die Hochschule doch schon seit langem, daß die Fläche geräumt werden solle.

Das Gericht empfahl allerdings der Hochschule, sich der "Amtshilfe" durch die Polizei zu bedienen. Was diese auch bereitwillig tat: Die Räumung selbst war quasi eine "private Räumung" durch die Bediensteten der Hochschule bzw. ein beauftragtes Abschleppunternehmen. Die Polizei räumte die BewohnerInnen und die etwa 200 DemonstrantInnen vom Gelände; dies in der Manier wie viele es gewohnt sind: Mit Pferden, Knüppeln und den entsprechenden Verletzungen.

Das Konzept der Hochschule ging also nur zum Teil auf: Mit dem Beginn der Bauarbeiten schuf sie eine Dringlichkeit, aufgrund derer sie die Räumung als unvermeidlich gerichtlich durchsetzen wollte. Als das Gericht ablehnte, konnte sie den Polizeieinsatz als Sachzwang verbuchen.

Die Hochschule hat sich über massive Proteste und Verhandlungsangebote hinweggesetzt. Viele Hochschulangehörige, Gremien, Gruppen, ProfessorInnen und nicht universitäre Gruppen hatten im Vorfeld der Räumung auf eine Eskalation hingewiesen und Gespräche der Hochschule mit den BewohnerInnen gefordert. Die Hochschule ließ sich tatsächlich auf Treffen ein, die allerdings den Namen Gespräche nicht verdienen.

Die BewohnerInnen (bzw. ihre VertreterInnen eines eigens gegründeten UnterstützerInnenvereins) wurden lediglich einbestellt, um die Beschlüsse der Hochschule zur Kenntnis zu nehmen: Der Platz muß geräumt werden, über eine Ersatzfläche zu verhandeln hält die Hochschule nicht für nötig. Das sei Sache der Stadt Kassel. Diese wiederum zog sich über ihre DezernentInnen damit aus der Affäre, daß sie die Angelegenheit als Streit zwischen Privatpersonen deklarierte und damit keine politische Bedeutung zuwies.

So weit, so gut. Der Platz wurde geräumt. Mindestens 20 Personen hatten Strafverfahren wegen Nötigung, Widerstand, Körperverletzung und Eingriffs in den Straßenverkehr. (Die Rote Hilfe hat übrigens die Übernahme der Hälfte der entstandenen Kosten zugesagt).

Nun will die Hochschule Schadenersatz für ihr entstandene Kosten. Die Pressesprecherin bemühte sich, die BewohnerInnen zu diskreditieren und ihnen vielfältige Kaputtmach-Aktionen anzulasten: Graffitis, Plakate, verklebte Schlösser, zerstörte Baumaschinen, kaputte Bauzäune, eingeworfene Fensterscheiben. Der Hochschule seien Kosten von etwa 300.000.- entstanden.

Die Schadensersatzforderungen allerdings beziehen sich "nur" auf 56.000.- für das Bewachen der BewohnerInnen vor der Räumung (!) durch private Sicherheitsdienste (10.000.-), das Abschleppen (pro Nase 1.300.-), die Stillstandskosten der Baufirma (25.000.-), die Bewachung der Wagen nach der Räumung (10.000.-). Die Hochschule klagt gegen zwei Personen, deren Namen sie hat und die sie für ehemalige BewohnerInnen hält. Die beiden sollen das Geld gesamtschuldnerisch bezahlen, d.h. die Kosten für die ganze Gruppe übernehmen und sich das Geld "im Innenverhältnis" zurückholen.

Es hat bereits einen Verhandlungstag vor dem Landgericht Kassel gegeben.

Die Richterin signalisierte, zum jetzigen Verfahrensstand wären etwa 10.000.- der geforderten 56.000.- berechtigt. Das Verfahren allerdings läuft weiter, der Anwalt der Hochschule will nachweisen, daß eine höhere Summe zu erstatten ist.

Das ganze hat natürlich eine politische Dimension: Wenn BewohnerInnen von Häusern oder Wagenplätzen (mit oder ohne zivilrechtlichen Räumungstitel) geräumt werden und dann dafür zivilrechtlich belangt werden sollen, werden Präzedenzfälle geschaffen. Unseres Wissens hat es das auch schon bei mindestens zwei Wagenplätzen, u.a. in Darmstadt, gegeben. Die BewohnerInnen haben dabei einem Vergleich zugestimmt (10.000.- bzw. 30.000.-), um höhere Kosten zu vermeiden.

Näheres zu dem Verfahren in Kassel, zu der Argumentation zur gesamtschuldnerischen Haftung und dem Herausgabeanspruch der Hochschule als Privatperson sowie allen anderen damit zusammenhängenden Fragen könnt ihr erfragen beim

Ermittlungsausschuß K18
Wagenplatz Am Hafen
Am Hafen 23
34125 Kassel

[squat!net]


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