Besetzer haben das Geld für das Boumann-Haus fast zusammen


POTSDAM. Die ehemaligen Besetzer des Boumann-Hauses im Holländischen Viertel haben gute Chancen, das Objekt in der Kurfürstenstraße 5 doch noch für 400 000 Mark zu kaufen. Unerwartete Unterstützung erhielt der jüngst gegründete Hausbesetzer-Verein "Viva Boumann s - Straße der Jugend e.V." nämlich jetzt von der Potsdamer Arbeiterwohlfahrt (Awo). Die Awo und ein weiterer noch unbekannter Verein erklärten sich bereit, für einen Bankkredit in sechsstelliger Summe zu bürgen. Damit könnten die Hausbesetzer doch noch den vom jetzigen Eigentümer Frank Schuster geforderten Bonitätsnachweis einreichen, das Haus erwerben und nach ihren Vorstellungen einrichten.

Schuster, hauptberuflich Gastronom im Potsdamer Filmmuseum, will die Verhandlungen mit den Hausbesetzern noch in dieser Woche zum Abschluss bringen. "Die jungen Leute haben das Haus in einem guten Zustand hinterlassen", sagt er, "wenn das Haus leer gestanden hätte, wäre es in einem erheblich schlechteren Zustand." Das denkmalgeschützte Backsteinhaus direkt am Nauener Tor war 1992 besetzt und nach einem Brand im Flügel in der Nacht zum 1. Juni von der Polizei geräumt worden. Im Anschluss war es in der Potsdamer Innenstadt zu tagelangen Auseinandersetzungen zwischen Autonomen und der Polizei gekommen. Das Boumann-Haus wird seitdem rund um die Uhr von der Polizei bewacht. Eine erneute Besetzung soll verhindert werden.

Vor einer Woche hatte sich dann der Hausbesetzer-Verein gegründet, mit dem Ziel, die Gelder für den Kauf des Boumann-Hauses aufzubringen. "Eine Bankenfinanzierung ist inzwischen so gut wie klar", sagt der ehemalige Besetzer Sebastian Weise, heute Vorstandsmitglied des Hausbesetzer-Vereins. Die Gemeinnützigkeit dieses Vereins muss noch vom Amtsgericht bestätigt werden. Hausbesetzer Weise wünscht sich für die Kurfürstenstraße 5 eine gemischte Nutzung: "Ein Hausflügel zum Wohnen und ein Flügel für das Arbeiten an Projekten."

Die Potsdamer Awo-Chefin Angela Basekow rechtfertigt die Unterstützung der zumeist jungen Vereinsmitglieder. "Die Jugendlichen haben sich ein Ziel gesetzt", sagt sie, "das finde ich gut, und deshalb wollen wir einen möglichen Hauskauf durch den Verein." Den Potsdamer CDU-Landtagsabgeordneten Wieland Niekisch empört die hausbesetzerfreundliche Haltung der Awo. "Die Arbeiterwohlfahrt hat der gesamten Breite der Gesellschaft zu dienen", sagt er, "jetzt unterstützt die Awo einen Verein, der sich extra zu dem Ziel des Hauskaufs gegründet hat. Das hat doch nichts mit Gemeinnützigkeit zu tun." Der CDU-Landtagsabgeordnete bereitet nun eine Anfrage an Landesregierung und Potsdamer Stadtverwaltung vor: "Die sollen mal erklären, wieso sie die Awo mit öffentlichen Geldern unterstützen."

Befürworter des Hauskaufes verweisen indes auf das Waschhaus in der Schiffbauergasse. Das ehemals besetzte Haus ist jetzt ein legalisiertes Jugendzentrum und als Veranstaltungszentrum recht populär. Niekisch hält dagegen: "Ich kenne das aus Berlin-Kreuzberg. Hausbesetzer haben damals die Häuser gekauft und machten dann auf privaten Biedermeier."

Martin Klesmann 7. Juli 2000 Berliner Zeitung Brandenburg


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