aus der Interim 399 vom 28.11. 1996

 Berlin wird Hauptstadt aber sicher...


 ...Sicherheitskonzepte für die Hauptstadt
Bei dem Versuch, Berlin für die globalen Verwertungsinteressen zurecht zu betonieren, werden die dadurch Ausgegrenzten und die sich Verweigernden zum Sicherheitsrisiko erklärt. Der folgende Text, den wir dem Buch "Stadt der Zukunft.. Zukunft der Stadt" (Frank Sträter Hrsg, Suttgart 1995) entnommen haben, liefert zwar wenig neue Infos, beschreibt aber gut, welche neuen Sicherheitskonzepte die "Glocalisierung" notwendig macht. Beim Autor Volker Eick entschuldigen wir uns, denn wir haben alle Literaturangaben gekürzt und einzelne Abschnitte in kursiver Schreibweise zusammenge faßt.


Einen Wechsel von der verlängerten Werkbank, von der Subventionsmetropole hin zur Ost West Drehscheibe, zum "Unternehmen Berlin" (Diepgen), davon träumen und daran glauben die politischen und wirtschaftlichen Eliten der Stadt. Aber nicht allein: Internationale Marketing und Developerfirmen, Multis oder wenigstens ihre Dependancen, Banken, PR Strategen, nicht zuletzt die Bundesregierung, sie alle wollen Berlin den richtigen Zuschnitt verpassen, oder gar in guter deutscher Tradition da weitermachen, "wo wir 1945 aufgehört haben", wie es der Chef der gerade zur achtgrößten Bank der BRD fusionierten Berliner Bank AG, Hubertus Moser, in erfrischender Offenheit formulierte.

Deregulierung heißt das Zauberwort, und in fünf zentralen Feldern wird Berlin zur global city zugerichtet. Der störungsfreie Ablauf in der Logistik-Zentrale Berlin ist dabei gemeinsames Interesse aller um die Profitmaximierung zentrierten Eliten. Der dazugehörige Sicherheitsapparat, den Bundesregierung, Senat und Privatwirtschaft kurz vor der Jahrtausendwende in Berlin zusammengezimmert haben, kann sich im Gegensatz zu den Armen der Stadt sehen lassen. Sie sollen verschwinden. Ein kleiner Streifzug durch die Berliner Gegenwart zeigt, mit welchem Instrumentarium die Beseitigung der Armen in Angriff genommen, die Beseitigung der Armut ad acta gelegt wird.

Es reicht ein knapper Uberblick, um einen Eindruck von der derzeit größten Baustelle Europas, der Stadt mit der höchsten Polizeidichte der Bundesrepublik und den inzwischen meisten Obdachlosen, kurz: von Berlin, zu gewinnen, um zu ahnen, wer nach dem Umstieg "von der Postkutsche auf den Rennwagen" (Diepgen) unter den Rädern liegen soll.

Die Berliner Verwaltung soll abgespeckt und zu einem schlanken Dienstleistungsunternehmen werden, dadurch hofft der Senat 30000 - 50000 Stellen einzusparen. Weitere Einsparungen sollen durch die Zusammenfassung der derzeit 23 Bezirke auf zwolf erreicht werden, dies scheiterte bislang allerdings an dem Widerstand der Bezirksverwaltungen.

Daneben strebt der Senat eine Privatisierung möglichst vieler offentlicher Dienstleistungen, kommunaler Baumaßnahmen sowie von Verkehrs u. Infrastrukurbetriebe an. Privatisiert wird ebenso das Berlin Marketing, was bedeutet, daß verstärkt private Firmen die Ansiedlungspolitik von Industrie und Dienstleistungsbetrieben bestimmen, und somit Entscheidungen aus dem parlamentarischen Kontrollprozeß ausgegliedert werden

Der Senat tätigt Investitionen fast nur noch an vier Schwerpunkten: Messe, Technologiestandort Adlershof, Ausbau zum Parlaments und Regierungssitz und den dazugehörigen Wohnungsbau. Für anderes, wie z.B. den sozialen Wohnungsbau bleibt da kaum etwas übrig.

Stadtstruktur: Das vom Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer zur Maxime erhobene Konzept der dezentralen Konzentration soll die polyzentrale Struktur der Stadt stärken. Die Verlagerung von Industriebetrieben ins Berliner Umland ("Speckgürtel"), eine Orientierung auf Dienstleistungen für den innerstädtischen Bereich ("Europäische Dienstleistungsmetropole") sowie das modifizierte Konzept der behutsamen Stadterneuerung führen aber im programmatisch vorgegebenen Rahmen zu kleinräumiger, sozialräumlicher Polarisierung. Zwar sind mit den hier skizzierten Veränderungen auch neue Konfliktlinien vorprogrammiert. Doch die in großer Koalition aus SPD und CDU regierende Landesregierung ist durch eine parlamentarische Opposition nicht gefährdet und kann die aus fordistischer Zeit hinübergeretteten Strukturen von "Berliner Sumpf" (CDU) und entsprechendem "Filz" (SPD) in ihre Modernisierungsstrategie einbauen.

Die vom Berliner Senat und den Berliner Unternehmer-Vertretungen als Problembereiche bezeichneten Bevölkerungsgruppen Obdachlose, Armutsprostituierte, Drogenkonsumentinnen, Glücksspieler und Schwarzmarkt Händlerinnen stellen neben den Bürgerkriegsflüchtlingen und Asylbewerberinnen an erster Stelle einer Bereinigungspolitik. Die Berliner Politik stützt sich dabei voll auf die Kriminalitätskampagne, wie sie von der Bundesregierung als Schmiermittel der Modernisierung vorgegeben ist. Dieser Diskurs ist in der Bundesrepublik nicht neu, steht aber unter anderen ökonomischen Vorzeichen.

Der Begriff Sicherheit steht dabei im Mittelpunkt und wird zu einem privaten Gut für diejenigen, die sie sich leisten können. Die Beseitigung sozialer Ungleichheiten wird nicht mehr als Ziel formuliert; es geht um die effektivere Eindämmung von als problematisch definierten Sachverhalten und Personen.

Die kleinräumige Verinselung des kapitalistischen Stadtraumes, die einhergeht mit einer fortschreitenden Heterogenisierung der Beschäftigungs- , Konsum- und Sozialstrukturen, hat keinen Platz mehr für alle Teile der Gesellschaft. Die Anforderungen der großen Immobilienkonzerne an ihre Mieterlnnen in shoping malls, Passagen und Boutiquen, monatliche Mindestumsätze zu realisieren, zwingen diese, selbst gegen die Armen in ihrer näheren Umgebung vorzugehen. Da dieses ökonomische Interesse mit den Interessen der politischen Führung Berlins korrespondiert, kommt es nicht nur zu "gentrification", das gentrifizierte Gebiet wird auch gegen zukünftige Störungen verteidigt.

 Von der Verwaltung zur Beseitigung der Armen

Bis Mitte der 70er jahre wurde die Armut verwaltet, indem auch verschiedene aus sozialen Bewegungen entstandene Projekte, Selbsthilfegruppen u.a. mit geringen Mitteln finanziert wurden. Probleme wurden über diese Politik keine gelöst, es entstanden aber innerhalb der Armutsverwaltung gewisse Freiräume.

Die finanzielle Stützung dieser Projekte wird nun durch den Berliner Senat zurückgefahren und hat einem gezielten Ausgrenzungsprogramm Platz gemacht, die Armen werden zu einem Sicherheitsproblemen "dramatisiert".

Gesellschaftliche Ausgrenzung und Stigmatisierung gehen dabei mit räumlicher Separierung einher.

Obdachlose werden inzwischen neben der Polizei auch von Geschäftsinhabern mittels privatpolizeilicher Maßnahmen von lukrativen Orten vertrieben.

Bei den Migrantlnnen, die von Glücksspiel und illegalen Zigarettenhandel leben, ist die gleiche Tendenz zu beobachten. Die regierungsoffizielle Ausländer-Hatz der vergangenen drei Jahre hat deren Lebenssituatuion zusätzlich verschärft. Zunächst konzentrierte sich die Politik des Senats auf die wachsende Zahl von Menschen, die in Wagenburgen meist in der Innenstadt wohnten. Wurden diese einst noch als Berlin-Attraktion vermarktet, werden sie heute, mit propagandistischer Unterstützung von den Medien inszenierten Schlagzeilen wie "Slums in bester Lage", "Seuchenherde" und "Schlupfwinkel für Kriminelle", geräumt.

Daneben sollen bestimmte Stadträume durch die Polizei mit Hilfe von privaten Sicherheitsdiensten vom Drogenmilieu gesäubert werden. So hat sich ein Großteil der Drogenszene vom Nollendorfplatz zum Kottbusser Tor verlagert. Verelendungsstrategie und gentrifcation gehen hier Hand in Hand. Ebenso angegriffen werden die Prostituierte, die rund um die Kurfürstenstraße und damit nahe dem zukünftigen Zentrum, arbeiten.

 "Killing them softly..." alte und neue Akteure in Berlin:

Gewalt, Kriminalität und Sicherheit sind die zentralen Vokabeln mit denen die herrschenden Eliten das "neue Berlin" vom Störpotential freihalten oder säubern wollen. Diese Form der Armutsregulation hat dabei die Strukturen des Sicherheitsapparates verändert und sein Aufgabenfeld erweitert. Unter Sicherheitsstruktur sollen hier neben der "Inneren Sicherheit", also der staatlich organisierten und finanzierten Sicherheit (Polizei, Bundesgrenzschutz, Bundeswehr, Geheimdienste), auch das private Sicherheitsgewerbe und die Bürgerwehren sowie architektonische Maßnahmen, die einen bestimmten Begriff von Sicherheit baulich durchsetzen sollen.

 ...die Bundesregierung

[...] Die Verteilung der Regierungsgebäude über die Bezirke Mitte und Tiergarten wird anders als im in sich geschlossenen Bonner Regierungeviertel zu dezentralen mobilen Sicherheitszonen führen, für die nach Bedarf die Zugangsberechtigungen erteilt oder verweigert werden.

Dadurch wäre ein Objektschutz, der Schutz des Verkehrs zwischen den Regierungsgebäuden sowie bei Staatsbesuchen besser gewährleistet, als durch die statische Bannmeilen.

Seit Oktober 1992 kontrolliert der BGS die Berliner S-Bahn, die Flughäfen der Bundesrepublik und hat die Kontrolle der Fernbahnhöfe übernommen. Mit Jahresbeginn (1995) hat die Deutsche Bahn AG zusätzlich im Rahmen ihres "SSS Konzepts" ("Service, Sicherheit, Sauberkeit") einen eigenen Sicherheitsdienst aufgebaut. ln Berlin sind 426 BGS Beamte mit Hunden gegen Obdachlose auf S- und Fernbahnhöfen im Einsatz. In Ahrensfelde, 30 Kilometer außerhalb der Stadt, wurde im Januar 1992 die "Sicherheitsstaffel Bundesregierung" auf einem ehemaligen MfS Gelände stationiert.

Die zu beobachtende nationale Inszenierung der Stadt durch die Bundesregierung, die mit dem Aufmarsch der Bundeswehr unter dem Brandenburger Tor, seiner historisierende Pläne (Stadtschloß, Neue Wache) und in den Straßenumbenennungsaktionen ihren Ausdruck fand, setzt neue Zugangsbedingungen und definiert andere als herrschaftskonforme Nutzergruppen zu Störpotential um. Alles, was der Inszenierung schaden, mithin die Folgen einer solchen Modernisierungstrategie sichtbar machen könnte, muß aus dem Stadtbild verschwinden.

 ...die Berliner Industrie und Handelsverbände, der Senat

Die in der AG City zusammengeschlossenen Geschäftsinhaber im westlichen Zentrum Berlins (Kurfürstendamm) sind zusammen mit der Industrie und Handelskammer Berlin die ökonomischen Hauptakteure einer Politik der Ausgrenzung. Unter direkter Bezugnahme auf die neuen Aufgaben Berlins und finanzielle Verluste durch das sichtbare Elend vor ihren Geschäften, fordern sie die Beseitigung der Armen.

Mit dieser Argumentation konnten die in der AG City Organisierten beim Innensenat den Einsatz von täglich bis zu 100 Polizistlnnen allein auf dem Kurfürstendamm erzwingen und zusätzlich die Weiterbeschäftigung ilegaler, d.h. ohne Lizenz arbeitender privater Sicherheitsdienste durchsetzen. Gleichzeitig definierte die AG City damit, was auf dem Kurfürstendamm und in seinen Seitenstraßen unerwünschte Peronen sind: Arbeitslose Jugendliche, Glücksspieler, Arme und Obdachlose.

Anfängliche Konflikte mit der Polizei, die sich daran stieß, daß zahlreiche aus dem Zuhältermilieu stammende Personen (Schutzgelderpressung; Prostitution) in den Reihen der privaten Sicherheitsdienste aktiv sind, wurden ad acta gelegt: dank ihrer besseren Kontakte zum Senat behielten die Geschäftsleute die Oberhand. Stillschweigend hat sich so eine Koalition aus privaten Sicherheitsdiensten, Innensenat und Polizeiführung gegen die Armen der Stadt durch und über demokratische Bedenken hinweggesetzt

Integraler Bestandteil zur Durchsetzung der neuen Sicherheitsdoktrin des Innensenats sind neben Polizei und Medienarbeit die Berliner Verkehrsbetriebe. Pro forma unterstehen diese zwar dem Verkehrssenator, werden aber zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vom Innensenat instruiert. Diese Instruktionen kommen dabei von eine, langjährigen sicherheitspolitischen Hardliner der Berliner Szene, Innensenator Dieter Heckelmann. Schon 1987 wurde damit begonnen, Sitzbänke auf U Bahnhöfen zu demontieren oder gegen Sitzschalen auszutauschen. Derzeit wird Sicherheitselektronik (Videokameras; Notrufsäulen) installiert, die das "Sicherheitsgefühl" der Kundlnnen in den U Bahnhöfen erhöhen sollen. Der Berliner Senat will zudem die Freiwillige Polizei Reserve (FPR), die bisher lediglich die Polizei bei Objektschutzaufgaben unterstützt hatte erstmals offensiv in der Stadtpolitik einsetzen. So ist geplant, die FPR ab Sommer 1995 gegen illegales Grillen in den städtischen Parks und Grünanlagen einzusetzen. Der größte innerstädtische Park, der Tiergarten, wird dabei vornehmlich von türkischen Familien frequentiert und liegt mitten im künftigen Regierungsviertel.

 ...Die Berliner Polizei

[...] In Berlin ist die Polizeidichte mit insgesamt 32.500 Kräften am höchsten. "Ein Polizeibediensteter in der deutschen Hauptstadt ist statistisch für 107 Bürger zuständig(...). Im Bundesdurchschnitt liegt das Verhältnis Polizei je einwohner bei 1:243". Die Zahl der Polizeibemten beträgt bundesweit rund 225.000. Dem stehen inzwischen etwa 200.000 private Sicherheitsbedienstete gegenüber.

Keine kritischen Reaktionen rief die Bildung von Sondereinheiten hervor, die gezielt gegen unerwünschte Personen vorgehen: hierzu gehören die Gruppe AGA (Arbeitsgebiet Gezielte Ausländerüberwachung) und die Sonderkommission Blauer Dunst (hauptsächlich am Brandenburger Tor aktiv) gegen polnische und vietnamesische Zigarettenhändler. Spezielle Einheiten der Berliner Polizei, des BGS und des Bundeskriminalamtes widmen sich den als Jugendbanden bezeichneten (ausländischen) Jugendlichen. Darüber hinaus sind viele Ubergriffe gegen Ausländerlnnen belegt; der rassistische Charakter der Berliner Polizei ist inzwischen Gegenstand von Publikationen der Menschenrechtsorganisation amnesty international.

Die Tatsache, daß der Berliner Polizeiapparat inklusive weiter Teile der Gewerkschaft mit Mitgliedern der rechtsextremistischen Republikaner durchsetzt ist, war Gegenstand langer und folgenloser Debatten.

Für räumliche Aspekte ist in diesem Zusammenhang der Aufbau spezieller Einheiten, der sogenannten Operativen Gruppen von Interesse: Ihre Aufgabengebiete sind im Stadtbereich auf die heutigen und zukünfligen zentralen Innenstadtbereiche eingegrenzt. Ihr Aufbau ist Ausdruck eines neuen Polizeikonzeptes, das auf das gezielte Herausgreifen unerwünschter Personen aus bestimmten Räumen zielt. Heckelmann ordnete im Juli 1993 die Autstellung der Operativen Gruppe City West an, die ausschließlich gegen Bettlerlnnen, Obdachlose und Glücksspieler vorgeht. Analog zu den Investitions und Tourismusschwerpunkten des Berliner Senats sind damit inzwischen vier Operative Gruppen (OG) die OG Alex, die OG Potse, die OG City West und die im Januar 1994 gegründete OG S036 mit diesem Aufgabenprofil eingerichtet worden. Aber auch gegen etwaigen politischen Protest ist vorgesorgt: die politische Polizei der Stadt, der Berliner Staatsschutz, führt eine 300 Personen umfassende, ursprünglich für Olympia Gegnerlnnen angelegte Datei als "Anti Umstrukturierungs Datei" weiter.

 ...und die privaten Sicherheitsdienste

1989 wurden bundesweit 750 private Sicherheitsdienste gezählt. Im Oktober 1992 ging die Polizei von 170 legal gemeldeten privaten Sicherheitsdiensten in Berlin aus. Die Branche besteht insgesamt aus etwa zehn Großanbietern und zahlreichen kleinen (auch illegalen) Betrieben. Nach wie vor gibt es keine gesetzlich geregelten Ausbildungsvorschriften.

Waren die privaten Sicherheitsdienste bisher weitgehend im "Objekt und Personenschutz" tätig, ubernehmen sie zunehmend Aufgaben, die originär dem staatlichen Gewaltmonopol zugeschrieben wurde. Dabei nehmen sie ihre Hauptaufgabe "abstrakte Gefahrenabwehr" nur für kapitalkräftige Firmen und Einzelpersonen sowie Institutionen wahr.

Verkehrüberwachung, Kontrolle von öffentlichen Räumen wie U Bahnhöfen, Fußgängerzonen und Parkanlagen. Inzwischen werden durch private Sicherheitsdienste auch regelmäßig, rechtswidrig und in Kooperation mit den Polizeikräften vor Ort besetzte Häuser geräumt. Fahndungaufgaben werden gefordert und in der rechtliche Grauzone bereits praktiziert; sinnigerweise werden die privaten Sicherheitsdienste auch in den Abschiebehaftanstalten gegen straffällig gewordene Ausländerlnnen und abgelehnte Asylberwerberlnnen eingesetzt. [...]

Mit ihrem Einsatz in den öffentlichen Verkehrsmitteln der Stadt definieren sie damit auch den öffentlichen Raum in einen privaten um. Das hat zur Folge, daß Private die Zugangsbedingungen in diese nun gleichsam privatisierten öffentlichen Räume definieren. Die Neuorientierungen in der architektonischen Inszenierung der Innenstadt, die mit shopping malls, Passagen und halböffentlichen Räumen vollgepfropft wird, unterstützen diesen Ersosionsprozeß des öffentlichen Raums.

Der Berliner Architekt Christoph Langhof schlug den Verkauf von innerstädtischen Fußwegen an Unternehmen vor. Hinter den privaten Sicherheitsdiensten stehen in der Regel große Konzerne wie die Veba AG (Raab Karcher Sicherheit), die Stinnes AG (Brink's Schenker GmBH), die Pedus AG (Peter Dussmann Sicherheitsdienste), die Wisser Gruppe des Textil und Reinigungsmoguls Claus Wisser (Industrie und Handelsschutz GmBH) oder die Berliner Penz Garski lmmobilien GmBH mit ihrem B.O.S.S. Sicherheitsdienst, die Anlaß zu Befürchtungen geben, daß sich solche Vorschläge durchsetzen.

Für den privaten Sicherheitsdienst Berliner Wache GmbH, der die wohlhabenden Villenviertel im Grunewald, in Zehlendorf und Dahlem im Südwesten Berlins bewacht, ist klar, daß er in ärmeren Stadtvierteln nicht kostendeckend arbeiten kann, so daß das Problem nur räumlich verschoben wird. Obwohl keine gesicherten Daten vorliegen, darf angenommen werden, daß eine Verlagerung von (Diebstahls )Delikten in die ärmeren Stadtteile im (Nord )Osten stattfindet. Konsequenterweise bedient die Berliner Wache seit 1994 auch Lebensmittelketten und Warenhäuser in Neukölln und Kreuzberg (im Süd Osten Berlins). Der ehemalige SEK Polizeibeamte und jetzige Geschäftsführer, Mike Jürges, betont: "Krirninalität kann man nicht vernichten"; sein Geschäftspartner fügt hinzu: "Irgendwo fällt immer Dreck an. Durch unsere Arbeit eben nur woanders"

Die 1977 gegründete Industrie und Handelsschutz GmbH (IHS) wird durch den ehemaligen Geheimdienstchef Heribert Hellenbroich geleitet und ist mit 2.500 Beschäftigten einer der Großen der Branche. In Berlin arbeitet die IHS seit 1990; inzwischen mit knapp 300 Leuten. In Frankfurt/M., Ludwigsburg und Köln kontrolliert die IHS ebenfalls die U bzw. S Bahnen.

 Internationales Kapital in Berlin

Wenn hier von den internationalen Konzernen nur am Rande gesprochen wurde, so liegt das auch daran, daß die meisten Bauprojekte der Stadt noch in der Bauphase befindlich sind. Somit gibt es auch kaum praktische Erfahrungen. Die Multis haben sich bisher genauso wie die Developerfirmen nicht direkt in die sicherheitspolitischen Diskussionsrunden einbinden lassen, sondem agieren allein und direkt. Dabei sind viele Projekte in Berlin so strukturiert, daß Atrien, überdachte Plätze oder Unterführungen halböffentliche Räume unter privatwirtschaftlicher Kontrolle bilden. Damit sind die Voraussetzungen geschaffen, selbst in diesen Räumen aktiv zu werden. [...]

Uber einzelne Großinvestoren gibt es jedoch Erkenntmsse aus anderen Städten. So drohte die ebenfalls am Potsdamer Platz bauende Sony AG 1988 mit der Verlegung ihrer Unternehmenszentrale aus Köln, falls das angrenzende Roma und Sintilager nicht umgehend beseitigt werde; der Lagerplatz sei, so der damalige Sony Chef, Jack Schmuckli, "schlimmer als eine Müllhalde". Die ebenfalls in Berlin ansässige, auch im Immobiliengeschäft aktive Douglas Holding (Kosmetik) forderte unlängst, daß die Innenstädte "genauso wie ein Einkaufszentrum gemanagt" werden müßten. [...]

Sie drohte in ihren Filialorten den Stadtverwaltungen, sie werde sich aus den Innenstädten zurückziehen "wenn es den Stadtvätern nicht gelingt, die Innenstädte sauber zu halten und der Kriminalität zu Leibe zurücken". [...]

Das Ausmaß der Bedeutung des internationalen Kapitals unter sicherheitspolitischen Aspekten ist noch nicht abzusehen. Auch deshalb bleibt unter analytischen Gesichtspunkten abzuwarten, ob das aus dem größten Immobilienführer Berlins stammende Zitat eine Konfrontationslinie beschreibt, die späterhin auch für ganz Berlin gilt. Den Bewohnerlnnen der Stadt wäre sie angesichts der Alternativen trotz aller darin liegenden Widersprüchlichkeiten vermutlich zu wünschen:

"Einige gehen in militanter Weise gegen drohende Veränderungen ihres "Kiezes" vor. Neueröffneten Läden des gehobeneren Bedarfs wurden die Schaufenster zertrümmert, verhaßte "Yuppies", die renovierte Dachgeschoßwohnungen bezogen hatten, mußten sich Pöbeleien gefallen lassen. Wer als "Spekulant" gilt, muß mit Schlimmerem rechnen. Kurz: Wer hier [Kreuzberg, V.E.] investiert und wohnt, ist auf eine gewisse Duldung angewiesen und sollte gegenüber dem bunten Volk von Aussteigern (und Schnorrern) keine Berührungsängste haben"


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