Das europäische Städtesytem |
Die neuen Verkehrs und Kommunikationssysteme verändern die Landkarte des Kontinents. Die Nationalstaaten wachsen zu einem integrierten, durch immer intensivere Ströme von Menschen, Gütern und Dienstleistungen vernetzten system von Regionen zusammen. Diese Transformation betrifft insbesondere die Städte. Die nationalen Städtehierarchien verschmelzen zu einem einheitlichen europäischen Städtesystern. Regionale Monopole zerbrechen unter dem Ansturm des internationalen oder globalen Wettbewerbs. Erfolgreiche Städte können bisher unerreichbare Märkte erobern, werden aber gerade deshalb zum Ziel von Wirtschaftsmigranten aus osteuropäischen und außereuropäischen Ländern.
Das sich herausbildende europäische Städtesystem zeigt eine deutliche Hierarchie (1). Nur zwei europäische Städte, London und Paris, sind echte Weltstädte. Nach ihnen kommen drei große europäische Agglomerationen: die Randstad in Holland und die Großräume Rhein Ruhr und Rhein Main in Deutschland. Es folgt die Liga der Eurometropolen: Städte mit übernationalen, europäischen Funktionen als europäische Hauptstadt oder Zentrum einer größeren europäischen Region. Berlin gehört wegen seiner Verbindungen zu den Ländern Osteuropas zu ihnen; ob es einmal zu den Weltstädten aufsteigen wird, läßt sich heute nicht absehen. Die Dynamik des europäischen Städtesystems hat die Imagination zahlreicher Visionare beflügelt. Zwei der einflußreichsten Metaphern für die Entwicklung des europäischen Städtesystems sind die 'Blaue Banane' (2) und der 'Blaue Stern' (3); nur im letzteren spielt Berlin eine Rolle.
Die Erweiterung Europas und seine gleichzeitige Schrumpfung durch neue Verkehrs und Kommunikationsnetze sind der konsistente Ausdruck des zunehmenden Wettbewerbs in den Ländern Europas. Die Kehrseite des ungesteuerten Wettbewerbs ist jedoch Polarisierung. Im Kontext Europas bedeutet dies die Vergrößerung des Abstands zwischen Gewinnern und Verlierern, zwischen Nord und Süd, West und 0st und Zentrum und Peripherie.
Die europäische Verkehrspolitik hat bisher dazu beigetragen, die Standortvorteile der zentralen Regionen in Europa gegenüber den peripheren Regionen zu stärken. Der Ausbau der Hochgeschwindigkeitsinfrastruktur erfolgt dort, wo die Nachfrage die Investitionen rechtfertigt, und das ist in den bereits hochverdichteten zentralen Ballungsregionen.
Die Polarisierung des europäischen Städtesystems schadet sowohl Gewinnern als auch Verlierern: Verliererstädte leiden unter Arbeitslosigkeit, Abwanderung, sinkenden Steuereinnahmen und wachsenden sozialen Problemen. Aber auch die Gewinnerstädte zahlen einen hohen Preis für ihren Erfolg in Form explodierender Bodenpreise, täglichem Verkehrskollaps, steigender Umweltbelastungen und Zersiedelung im Umland.
Die 'Blaue Banane' ist der bildhafte Ausdruck für die auf Wettbewerb beruhende Konzentration der Raumentwicklung in einem zentralen Korridor in Europa. Städte, die nicht in diesem Korridor liegen oder nicht an ihn angeschlossen sind, haben im Wettbewerb keine Chance.
die 'Blaue Banane' (source:Brunet 1989) | der 'Blaue Stern' (source: IAURIF 1991) |
Anmerkungen: |