Folterknechte zieren die New Yorker Polizei |
von Klaus Steiniger
Berlins CDU-Rechtsrändler Bundeswehrgeneral außer und Polizeisenator im Dienst Jörg Schönbohm hat sein Ziel klar benannt: Er will nach New Yorker Vorbild in der Hauptstadt "reinen Tisch" machen.
Saubermann Schönbohm, der kürzlich den Chef der New Yorker Knüppelgarden in Berlin emphatisch empfing und dessen Lektionen zu Stil und Inhalt "durchgreifender polizeilicher Verbrechensprophylaxe" jedem seiner Untergebenen als nachahmenswert empfahl, hat mit sicherem Instinkt den günstigsten Zeitpunkt gewählt.
Niemals gab es in der größten Stadt der Vereinigten Staaten so viele Beschwerden über kriminelle Gewalttätigkeiten uniformierter Ordnungshüter wie in diesem Sommer. Seit der vor fünf Jahren vom damaligen Oberbürgermeister David Dinkins - einem Afroamerikaner aus der Demokratischen Partei - durchgesetzten Einrichtung des als Kontrollinstanz gedachten New York Civilian Complaint Review Board sind dort mehr als 20 000 (!) Beschwerden über Polizeibrutalität erhoben worden. Mit welcher "Gewissenhaftigkeit" die Behörden des rechtsrepublikanischen Dinkins-Nachfolgers Rudolph Giuliani den Eingaben der durch Blauröcke mißhandelten oder bedrohten Bürger nachgegangen sind, verdeutlicht allein die Tatsache, daß nur ein einziger Beamter auf deren Grundlage entlassen worden ist. Giuliani, ein früherer Staatsanwalt, war im Wahlkampf 1992 als Bürgermeisterkandidat gegen die Schaffung der Beschwerdestelle persönlich zu Felde gezogen. Seine Kampagne hatte in einer Zusammenrottung empörter Polizisten vor der City Hall - dem New Yorker Rathaus - gegipfelt. Dabei waren im Beisein des Politikers nicht nur rassistische Sprüche gegen Dinkins gemacht, sondern auch mehrere schwarze Stadtverordnete von "Ordnungshütern" tätlich angegriffen worden. Die Männer von Police Commissioner Howard Safir - einem der Vorbilder unseres wackeren Ritters Jörg - lassen es nicht bei Halbheiten bewenden. Wo sie einschreiten, wird ganze Arbeit geleistet. Im Sommer brachten die extraharten Cops des 70. Polizeireviers von Brooklyn den ganzen Verein nicht nur in die Schlagzeilen, sondern lösten auch die größten Protestdemonstrationen gegen Polizeibrutalität aus, die seit Jahrzehnten in New York stattgefunden haben. Zehntausende marschierten am 19. August 1997 über die Brooklyn-Bridge zur City Hall.
Zehn Tage zuvor hatte eine Gruppe von Polizeibeamten des 70. Reviers ein unvorstellbar grausames Verbrechen an dem aus Haiti stammenden Einwanderer Abner Louima begangen. Der junge Mann, der als Wächter bei einem Nachtklub in Flatbush arbeitete, wurde von der vierköpfigen, durchweg weißen Besatzung eines Streifenwagens unter einem Vorwand festgenommen und zunächst in eine menschenleere Gegend gefahren. Dort mißhandelte das Quartett sein Opfer. Dann wurde Louima auf das Revier gebracht. In dessen Toilette mußte der willkürlich Arretierte den Unterkörper entblößen. Während einer der Cops den Kopf des Gefangenen nach unten hielt, stieß ihm ein anderer eine Klosettbürste gewaltsam in den After, daß der Darm riß und die gequetschte Blase ernsten Schaden nahm. Anschließend wurde das verschmutzte Instrument Louima in den Mund gedrückt, wodurch der bereits Schwerverletzte mehrere Zähne verlor. Anschließend ließen ihn die brutalen Verbrecher in Uniform mehrere Stunden ohne ärztliche Hilfe in seinem Blut liegen. In kritischem Zustand wurde er schließlich in das Coney Island Hospital eingeliefert. Zwei komplizierte Operationen waren erforderlich, um Louima zu retten. Da die New Yorker Polizei die abscheuliche Tat nicht verschleiern konnte, wurden die unmittelbar Beteiligten festgenommen und unter Anklage gestellt, nach Stellung einer Kaution bald darauf aber wieder auf freien Fuß gesetzt. Gegen 17 Mitarbeiter des 70. Reviers, das bereits 1993 nach dem angeblichen "Selbstmord" eines gleichfalls unter mysteriösen Umständen Festgenommenen auf sich aufmerksam gemacht hatte, wurden "Maßnahmen" ergriffen. Wie es hieß, seien sie zu ihrem eigenen Schutz mehrheitlich in andere Dienststellen versetzt worden. Wie sich herausstellte, waren die an der lebensgefährlichen Mißhandlung Louimas unmittelbar teilnehmenden Polizisten Justin Volpe und Charles Schwarz in punkto Brutalität keine unbeschriebenen Blätter. 1995 war Volpe von einem Bürger beschuldigt worden, er habe ihn geschlagen und getreten. Die Beschwerde war indes ohne Folgen geblieben. Schwarz hatte man 1992 wegen nicht in Abrede zu stellender Gewalttätigkeit zeitweilig vom Dienst suspendiert, dann aber auf das 70. Revier zurückgeholt.
Während New Yorks Police Commissioner Howard Safir - einer der von Schönbohm so bewunderten harten Durchgreifer - der Pressekonferenz zu den Geschehnissen auf dem Brooklyner Polizei-Precinct mit versteinertem Gesicht schweigend beiwohnte, erklärte US-Bezirksstaatsanwalt Zachary W. Carter, die Rücksichtslosigkeit des Überfalls auf Louima und die große Zahl der darin verwickelten Beamten lasse darauf schließen, daß man gewohnt sei, solche heimtückischen Verbrechen ungeahndet zu wissen.
Übrigens hatten die Killer-Cops nach der Aussage ihres Opfers bei dem Angriff auf Louima gerufen: "Dies sind nicht Dinkins-Zeiten, dies sind Giuliani-Zeiten!" Solche Zeiten möchte Schönbohm - der zackige Rechtsaußen der Berliner CDU, der selbst Lummer und Landowsky an Schärfe in den Schatten zu stellen bemüht ist - nach Berlin importieren, um die Hauptstadt der Bonner Bürokratie beim Umzug besenrein zu übergeben. Es gehe ihm darum, vom "New Yorker Modell" zu lernen, hat er bei einer Fernseh-Debatte im Sender B1 erklärt. New Yorker Modell? Brooklyner Verhältnisse? American Way? Wir sind gewarnt und wissen, was unter solcher Art von "Kriminalitätsprophylaxe" zu verstehen ist.