Berlin bleibt doch Berlin taz vom 28.8.97 |
Berlins Schwarzfahrer können aufatmen. Im Gefängnis werden sie nicht landen. Das Law- and-Order-Modell, das New Yorks Expolizeichef gestern in der HAuptstadt präsentierte, kann nichr einfach übernommen werden.
"I want to talk about a revolution" - William Bratton, ehemaliger Polizeichef von New York und neuer Guru der bundesdeutschen Sicherheitspolitiker, hatte sich für seinen gestrigen Auftritt in der deutschen Hauptstadt viel vorgenommen. Eine Revolution geht um die Welt", versprach er den rund hundert Polizisten und Sicherheitspolitikern, die auf Einladung der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in den beengten und überhitzten Tagungsraum eines Berliner Hotels gekommen waren. Über Stunden harrten sie dort aus - nur wegen der Hoffnung, Polizeiarbeit möge jetzt anders werden. Doch eines konnte auch Brattons Anwesenheit nicht verhindern; die Einsicht, daß New Yorker Konzepte nur bedingt auf Berlin übertragbar sind.
Mein Name ist Bill Bratton, und ich will Ihnen eine Geschichte erzählen", begann der von vielen zum Heilsbringer Erkorene seinen Vortrag. Er erzählte die Geschichte von einer Weltmetropole, in der sich in den achtziger Jahren kein Mensch mehr in die U-Bahnbegeben konnte, m der vor lauter Graffiti kein Mauerwerk mehr zu sehen war und in der die Polizei kapituliert hatte. Die Ursache für die Verwahrlosung der Sittenmacht er in einer übermäßig toleranten Gesellschaft aus, die seit dem Ende der sechziger Jahre Einzug gehalten habe.
In Amerika habe die Revolution der Polzeiarbeit ihren Ausgang genommen. Mit der Erhöhung der Polizeistärke und mit einer neuen Philosophie habe er als Polizeichef die Straßen der Stadt wieder sicher gemacht und damit begonnen, das Verhalten der Menschen auf den Straßen zu kontrollieren". Damit haben wir das Verhalten geändert" - die Polizei als Sittenwächter.
Brattons Grundthese lautet: Unordnung führt zu Verbrechen. Kritiker bemängeln, daß damit jeder Bürger schon aufgrund kleiner Regelverstöße ins Fadenkreuz der Polizei gerät. Brattons Grundthese, daß das Verfolgen kleinster Regelübertritte zu einer Verringerung von Verbrechen führe, belege er aber nicht. Die These ist tatsächlich fragwürdig: Der Radfahrer, der auf dem Gehweg rast, wird wohl kaum zum Bankräuber mutieren.
Gestern machte Bratton Gemeinsamkeiten zwischen New York und Berlin aus: Die Überhandnähme von Graffiti deutete er als Flagge der Resignation". Noch haben Sie die Straßen Berlins nicht verloren", schloß er warnend seine Ausführungen, doch stoppen Sie den Prozeß jetzt, solange es noch geht!" Er bemerkte jedoch auch anerkennend, daß die Polizeipräsenz in Berlin recht hoch sei. Tatsächlich ist die Polizeidichte in Berlin höher als in New York: Dort kommt auf 180 Einwohner ein Polizist, in Berlin kommt ein Polizist auf 128 Einwohner.
Dankbar nahmen die geladenen Referenten - Berlins InnensenatorJörg Schönbohm (CDU), Polizeipräsident Hagen Saberschinsky und der GdP-Vorsitzende Eberhard Schönberg - Brattons Thesen auf: jeder für seine eigenen Zwecke.
Denn mit der Diskussion um die New Yorker Verhältnisse und das gepriesene Polizeikonzept verbindet sich nicht der Wunsch, dieses direkt auf Berlin zu übertragen. Vielmehr dreht sich die nun schon Wochen anhaltende Debatte umeinen Paradigmenwechsel in der Inneren Sicherheit. Die Polizeigewerkschaft hofft auf ein Zurückschrauben hinderlicher Bestimmungen, wie sie im Datenschutzgesetz gegeben sind, und setzt wie die CDU auf die Ausdehnung von Uberwachungskompetenzen. Deutsches Polizeirecht behindert vorbeugende Verbrechensbekämpfung&quo