"Dossier: Ein Sicherheitsgefühl vermitteln"


 "Ein Sicherheitsgefühl vermitteln"

Sven Hübner, stellvertretender Chef der Polizeigewerkschaft im BGS, zum neuen Sicherheitskonzept von Innenminister Kanther

taz: Nach dem heute vorgestellten Grenzschutzkonzept gibt es bald 880 BGS-Beamte mehr bei der Bahnpolizei. Die sollen auch in Großstädten eingesetzt werden. Ersetzen sie dort die Polizei, die versagt hat?

Sven Hübner: Das ist keine Frage des Versagens. Die Zusammenarbeit auszubauen ist richtig. Bahnhöfe haben eine Magnetfunktion für Straftaten und Ordnungswidrigkeiten, vom Handtaschenraub bis zur Gewalt. Wir haben bisher sehr gute Erfahrungen mit gemeinsamen Einsätzen, etwa im Graffitibereich in Hamburg und Berlin. Uns fehlt aber die Einbindung in ein Gesamtsicherheitskonzept.

taz: Was sollen die BGS-Beamten in den Städten denn tun? Schwarzfahrer jagen und Drogendealer festsetzen?

Sven Hübner:In den Ballungsräumen soll nach der Devise "Grün auf die Straße" ein subjektives Sicherheitsgefühl vermittelt werden. BGSler werden in Zukunft etwa mehr Zug und S-Bahn fahren. Einsätze außerhalb des Bahnbereichs allerdings sind problematisch. Für Ermittlungen im Drogenbereich sind BGSler kaum geeignet, da besteht ein erheblicher Fortbildungsbedarf. Das Gerede von Razzien ist nur Publicity seitens der Politik.

taz: Nach dem Konzept Sicherheitsnetz soll der BGS auch mit privaten Sicherheitsdiensten zusammenarbeiten.

Sven Hübner:Das ohnehin angeknackste Sicherheitsmonopol des Staates darf nicht völlig aufbrechen. Durch die Reduzierung unseres eigenen Netzes an Dienststellen wird den Privaten noch mehr Raum gegeben. Dabei will der Bürger doch keinen privaten Sheriff, sondern einen Polizisten auf dem Bahnhof sehen. Privatisierung von öffentlichem Raum bringt keine Sicherheit für den Bürger, sondern einen Profitmarkt.

taz: Standorte werden aufgegeben, neue Aufgaben festgelegt. Gibt es bald einen neuen BGS?

Sven Hübner:Es wird einen anders organisierten BGS geben. Ob der erfolgreicher wird, bezweifle ich. Wer mehr Sicherheit produzieren will, muß komplexer denken. Gestern wurde nur eine Organisationsreform vorgestellt, eine schlichte Ressourcenverlagerung. Nach dem gegenwärtigen Haushaltsgesetz beschäftigt der BGS 4.500 Beamte zuviel. Trotzdem sollen Bereitschaftsabteilungen aufgelöst werden, um das Grenzpersonal zu verstärken. Plötzlich knallen das Wahlkampfthema Sicherheit und der ehemalige Polizeichef von New York in die Öffentlichkeit. Da hat Kanther einfach aus der Not eine Tugend gemacht. Wahre Sicherheitsnetze spielen in der gestern vorgestellten Reform gar keine Rolle.

Interview: Robin Alexander

TAZ Nr. 5329 vom 12.09.1997


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