Pariser und Besetzungen


?: Hallo, Du bist also aus Paris - gibt's da besezte Häuser? Und wenn ja wieviele?

!: Keine Ahnung wieviele - es gibt es gibt ne ganze Menge die von Künstlern besetzt sind. Und andere , welche von Obdachlosen, Arbeitslosen, Familien, Sans-Papiers oder anderen Ausgegrenzten besetzt sind. Davon sind die meisten still besetzt - die hängen keine Transpies raus und verhalten sich halt ruhig.

?: Und die kennt man überhaupt nicht?

!: Ich kenne die auch nicht. Es gibt in Paris tausende Leute, die Wohnraum besetzen- Häuser, Hallen oder auch nur Wohnungen. Das ist in vielen grösseren französischen Städten so.

!: Die Leute da verhalten sich dementsprechend ruhig und es gibt wenig öffentliche Aktionen. In einem der von Künstlerinnen bewohnten Häuser gibt es ein vegetarisches Restaurant und von Zeit zu Zeit öffentliche Theatervorstellungen. Andere Aktivitäten sind mir nicht bekannt.

?: Wie läuft das bei den Besetzungen in Paris? Gibt es Probleme mit den Bullen oder mit den Besitzern?.

!: Gemäss Gesetz kann nur innerhalb der ersten 48 Stunden eine Räumung stattfinden. Nach dieser Frist muss der betroffene Besitzer einen Prozess gegen die Besetzerinnen anstrengen, was sich normalerweise längere Zeit dahinzieht. Das heisst, dass in der Praxis die Häuser sicher ein Jahr besetzt bleiben.

!: Politisch aktive und für die geneigte Öffentlichkeit zugängliche Häuser existieren in Paris bloss zwei. Das Orteaux ( im Moment geschlossen und auf ene Neubesetzung hinarbeitend ) und das Haus an der rue de Maraichers. Da wohnen Leute vom Collectif Anti-Expulsion, die sich gegen Abschiebungen von Ausländerinnen engagieren. Auch für die Arbeitslosenbewegung wird dort gearbeitet, und das Antiarbeitskomite ( die Muse ist eine Tugend ) ist dort beheimatet.

!: Auch gibt es vom 15. Oktober bis 15. März ein Räumungsverbot - den Winterwaffenstillstand. Eigentlich gilt dieses Gesetz nur für legale Mieterinnen, welche ihre Miete nicht mehr bezahlen können. Seit längerem wird dieses auch auf die besetzten Häuser angewendet.

?: Und wenn es zu Räumungen kommt, wie verhalten sich die Bullen?

!: Im Allgemeinen sind die Bullen zurückhaltend, sie fahren schon manchmal mit Bulldozern auf, aber so Knüppel werden nicht eingesetzt. Dazu muss ich sagen, dass auch die Gegenwehr der Besetzerinnen nicht militant ist, denn sie haben ja das nächste zum Besetzen geeignete Objekt schon im Visier. Und für das Hab und Gut ist auch noch der Hausbesitzer verantwortlich; er ist nämlich gesetzlich verpflichtet für den Umzug der Besetzerinnen einen Zügelwagen bereitzustellen.

?: Das Alter der Besetzerinnen?

!: Na so von 20 bis 40, die meisten schon eher unter 30, aber es gibt auch so Alt-68er, die noch mitmischen.

?: Irgendwelche Pariser Spezialitäten?

!: Die "Auberge Espagnole ", die findet in den besetzten Häusern statt, dabei bringt jede etwas zu Essen oder zu Trinken mit, und das wird dann untereinander aufgeteilt und zusammen festlich verdrückt.

?: Sonst irgendwelche Abendunterhaltung, die für Pariser Gäste zu empfehlen wäre?

!: Die Szene trifft sich im Allgemeinen selten, es gibt natürlich Konzerte, welche meist von einer politischen Gruppierung als Soliveranstaltung aufgezogen sind. Aber solche Anlässe finden nicht in den besetzten Häusern statt, sondern in irgendwelchen Räumen,die von der Gewerkschaft oder einer sonstigen politischen Gruppe gemietet sind. Aber so regelmässige Polito-Bars gibt es nicht. Die "alternative Pariser Abendunterhaltung " ist vielleicht erst im Entstehen begriffen oder halt einfach am Arsch

?: Noch eine Frage zu den Medien; wie steht es mit Radio, Internet oder so?

!: Als Anfang der 80er Jahre die linke Regierung an die Macht gekommen war, förderte sie ein paar Jahre lang alle Radioprojekte. Das wurde von vielen Gruppen genutzt,die dann mit staatlicher Unterstützung Radiostationen eingerichtet haben. Aus diesem Grund gibt es eine grosse Vielfalt an lokalen Radios. In Paris das "Radio Libertaire", welches anarchistisches Programm sendet, ein zweites linkes Programm gibt es auch noch. So haben auch linke unabhängige Gruppen Möglichkeit auf Sendung zu gehen. Hin und wieder sendet auch ein Piratenfernsehen, welches aber schwierig zu empfangen ist und eh nur irgendwelche trotzkistischen Partei- und Politsendungen macht. Und nebenbei keinen Hehl aus seiner Abneigung gegen besetzte Häuser mac. Auf Internet findest du von jeder politischen Gruppierung eine Homepage und/oder Webside. Aber als Kommunikationsmittel hat es sich noch nicht durchgesetzt, da in den wenigsten Häusern in Paris ( ganz Frankreich ) ein Computer steht. Einfach auch aus finanziellen Gründen, Occasionsrechner sind schwierig zu bekommen und sonst fehlt den Leuten das Geld. Aber ich denke das ist bloss eine Frage der Zeit bis das auch bei uns grössere Verbreitung findet. Schon in den letzten vier Jahren hat ein ziemlicher Boom eingesetzt und wir werden auch das fantastische [squat!net] zu nutzen wissen.

Danke und Tschüss!


[squat!net]


Für alle, die französisch verstehen, hier die Überblicksseite PARIS!


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