Commerz gegen Köpi


Brachgrundstücke, zerfallene Fabrikanlagen und Gewerbegebäude säumen die Köpenicker Straße. Das autonome Kulturzentrum K¿pi ragt aus der tristen Umgebung hervor. An den Brandwänden aufgemalte Graffitis, die gegen Rassismus, Spekulationsinteressen und kapitalistische Ausbeutung Stellung nehmen. "Die Grenze verläuft nicht zwischen den Völkern, sondern zwischen oben und unten" fällt sogar beim schnellen Vorbeifahren ins Auge.

An den Hauswänden Spruchbänder und an der Mauer im Eingangsbereich Plakate, die auf ein breites Spektrum von Aktionen schließen lassen: Konzerte, Soliveranstaltungen, Sportgruppen, Volxküche und Filmreihen.

Wenn es nach der Berliner Commerzbank geht, soll es damit nun bald vorbei sein. Die hat es nämlich auf das Gebäude und das daran angrenzende Grundstück abgesehen. Volquard Petersen, Eigentümer des fünfstöckigen halbzerstörten Wohnhauses, hat sich verschuldet. Bereits im April 1998 wurde ihm die Verwaltung der Köpenicker Str. 137-138 entzogen, da er 2,2 Millionen DM an die Berliner Commerzbank zurückzahlen sollte und nicht konnte. Inzwischen ist diese Summe auf 3,8 Millionen DM angestiegen. Die Berliner Commerzbank suchte nach liquidierbarem Eigentum Petersens - und war auf das Grundstück Köpenicker Str. 137-138 gestoßen.

"Commerz mit der Köpi? Nicht mit uns!" stand auf den Flugblättern, die UnterstützerInnen der Köpi bei der Besetzung von Filialen der Berliner Commerzbank in Kreuzberg letzte Woche verteilt haben. Auch Schokoküsse sollten an Passanten verschenkt werden, um auf die Zwangsversteigerung des Kulturzentrums aufmerksam zu machen. Die Passanten weigerten sich, die Süßigkeiten anzunehmen, und Verhandlungen mit Vertretern der Commerzbank waren nicht möglich.

Das insgesamt 1 902 Quadratmeter große Grundstück liegt am südöstlichen Rand des Bezirks Mitte und wird als Erweiterungsgebiet des Regierungsviertels eingestuft. Das Interesse der Commerzbank, bei der Zwangsversteigerung einen möglichst hohen Verkaufspreis zu erlangen, deckt sich mit dem Petersens, der nicht zum ersten Mal versucht, dem Kulturzentrum den letzten Stoß zu versetzen.

Bereits im Sommer 1996 landete bei den ehemaligen HausbesetzerInnen, die fünf Jahre zuvor mit der Wohnungsbaugesellschaft Mitte Verträge über bauliche Selbsthilfe und Einzelmietverträge ausgehandelt hatten, die fristlose Kündigung auf dem Tisch. Die Kündigungen waren rechtlich nicht haltbar, so daß die BewohnerInnen einen Prozeß gegen Petersen gewannen.

Das Mindestgebot bei der Zwangsversteigerung liegt wahrscheinlich bei 3,8 Millionen DM, um die Forderungen der Commerzbank zu decken - eine Summe, die die jetzigen BewohnerInnen nicht auftreiben können. Die Überlegung, sich einem Genossenschaftsprojekt anzuschließen, das die Finanzierung der Köpi übernehmen könnte, ist wegen des hohen Verkaufswerts nicht realisierbar. Zudem mangelt es an Zeit - die NutzerInnen der Köpi erfuhren nur durch Zufall von der Zwangsversteigerung.

Eine Pfändung des Hauses wurde im April vergangenen Jahres beschlossen. Das Amtsgericht Mitte stellte den Rechtsanwalt Anton Meichsner als Zwangsverwalter ein und gab ein Verkehrswertgutachten in Auftrag. Resultat des rechtlich nicht bindenden Gutachtens: Der Verkehrswert von "Mietwohnhaus mit Reservebaufläche" wurde auf 5,4 Millionen DM festgelegt, und ein Abriß des um 1900 errichteten Gebäudes als "wirtschaftlich vertretbar" eingeschätzt. Über eine komplette Neubebauung wird bereits debattiert, dabei sind die Kosten für eine "Säuberung" des Hauses einkalkuliert: "die Räumung von den Hausbesetzern" und die "vermutlichen Altlasten durch Bombenschäden" verursachen Zusatzkosten, die sich auf ca. 100 000 Mark belaufen.

Skepsis ist angesagt bei einer Standortbeschreibung durch die Sachverständigen, die darauf schließen läßt, daß der Verkehrswert des Geländes in die Höhe getrieben werden soll. Bei den Gutachten sind finanzielle Eigeninteressen nicht auszuschließen: Ein Hausbewohner erklärt, daß man - wie im Fall der Köpi durch das Büro von Diplom-Ingenieur Bernd Scheuner - von einer unangemessenen Hochstufung des Verkehrswertes ausgehen könne, da von der Schätzsumme schließlich auch ihr Honorar abhänge.

"Es ist absehbar, daß sich das Gebiet zu einem attraktiven Standort für Wohnen und hochwertiges Gewerbe und Dienstleistungen entwickeln wird", schreiben die Sachverständigen und weisen darauf hin, daß "der Stadtteil Luisenstadt durch seine Lage an der Spree mit der Funktion eines Citybandes ausgewiesen" ist. Wie immer man sich das zukünftige "Cityband" vorzustellen hat - derzeit liegt das Grundstück der Köpi in einer zerrissenen Stadtlandschaft zwischen Kreuzberg und Mitte.

Linke und autonome Gruppen organisieren hier ihre politische Arbeit: Das linke Kulturzentrum ist ein Treffpunkt für diejenigen, die nach Alternativen zum kommerzialisierten Entertainment suchen. In der Köpi wird Kulturprogramm zu Selbstkostenpreisen angeboten - und es besteht Freiraum, eigene Ideen zu verwirklichen.

Damit es dabei bleibt, wehren sich die vierzig HausbewohnerInnen und die zahlreichen Gruppen, die die Köpi als Veranstaltungsort regelmäßig nutzen, mit allen Mitteln gegen die Zwangsversteigerung. "Die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit ist unsere beste Karte", so ein Hausbewohner.

Ideen für mögliche Bauvorhaben von kapitalstarken Investoren sind schon lange auf dem Tisch: Auf dem an das Haus angrenzenden 20 000 Quadratmeter großen Areal könnte das Großbebauungsprojekt "Sonnenhöfe" für geschätzte 200 Millionen DM entstehen. Bei einer derartig großflächigen Bebauung stehe dem Abriß des einzig bewohnten Hauses nichts entgegen, befürchten die HausbewohnerInnen der K¿pi.

Die NutzerInnen des vor knapp neun Jahren besetzten Gebäudes sind, was ihre Zukunftsplanung betrifft, durch die Zwangsversteigerung zwar stark gehandicapt, hängen aber nicht gänzlich in der Luft: Ihre Mietverträge sind gültig und werden auch vom Büro des Zwangsverwalters Meichsner als legal abgeschlossen bestätigt. Potentielle Käufer des Grundstücks können also nicht damit rechnen, sich der bisherigen BewohnerInnen umgehend entledigen zu können, um einen Abriß oder eine völlige Neugestaltung des Geländes schnell voranzutreiben.

Einem Aufruf, sich öffentlich gegen "Umstrukturierung und Vertreibungspolitik" zur Wehr zu setzen, folgten am vergangenen Samstag etwa tausend von Polizisten eskortierten Sympathisanten. Ihr Anliegen: für den Erhalt der Köpi kämpfen, um sich nicht von "Großinvestoren" verdrängen zu lassen.

Antje Frieling in jungleworld 08/99


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