Linke bewerten Kaiser's-Anschlag kritisch


Der Brandanschlag ist der Bevölkerung nicht zu vermitteln, meinen Linke aus Prenzlauer Berg. Innensenator Schönbohm beriet mit Verfassungsschutzchef und Staatsschutz. Grüne laden zu Anwohnerversammlung ein

In der linken Szene in Prenzlauer Berg wird der Anschlag auf die Kaiser's-Filiale durchaus kritisch bewertet. Bei dem Brandanschlag in der Nacht von Freitag auf Samstag war das Geschäft am Teutoburger Platz völlig zerstört worden. Es entstand ein Millionenschaden. Zwar wird in der Szene begrüßt, daß das Bekennerschreiben einen klaren Bezug zur Flüchtlingspolitik des Senats herstelle, da der Anschlag sonst "sehr beliebig" erschienen wäre. Auch stößt die "perfekte Organisation" des Anschlags auf anerkennenden Respekt.

Doch trotz der klammheimlichen Freude fragt man sich, ob die Aktion bei der Bevölkerung ankomme. "Viele der Anwohner haben sich selbst angegriffen gefühlt, haben von ,unserem Kaiser's` gesprochen", berichtet ein Bewohner aus dem Teutoburger-Platz-Kiez. So befürchtet er, daß sich das Klima für alternativ Aussehende in dem zuvor ausgesprochen ruhigen Kiez verschlechtern könnte. Einer, der sich selbst zur Szene rechnet, meinte ebenfalls, es sei wichtiger, mit der Bevölkerung zu reden, als sie zu verschrecken. Auch die von Innensenator Jörg Schönbohm angekündigte verstärkte Polizeipräsenz im Prenzlauer Berg wird als negative Folge des Anschlags gewertet. Dabei sei schon jetzt klar, daß Polizeikontrollen nichts als Schikane und Unruhe bringen würden. Auch Schönbohm selbst, meinte eine Kiezbewohnerin, glaube doch wohl nicht, daß er durch Polizeipräsenz diesen Anschlag aufklären oder weitere verhindern könne. Schließlich hätte jeder andere Supermarkt in Flammen aufgehen können. Der Anschlag habe offensichtlich keinen Kiezbezug gehabt.

Schönbohms Pressesprecher Thomas Raabe erklärte, die erhöhte Polizeipräsenz werde sich "nicht so starr" auf Prenzlauer Berg richten, sondern gelte allgemein. Schönbohm führte gestern ein Gespräch mit Verfassungsschutzchef Eduard Vermander und Staatsschutzchef Dieter Piete. Die drei seien sich "weitgehend einig" gewesen, wie der Anschlag einzuordnen sei, sagte Raabe. Er wies auf Parallelen zu einem Anschlag hin, der im November 1996 auf eine Straßenbahn in Friedrichshain verübt worden war.

Der Regionalleiter von Kaiser's, Robert Guß, dementierte gestern, daß das Unternehmen bereits Gespräche über ein Wertgutschein- System für Flüchtlinge geführt habe. "Wenn wir Gespräche führen, werden wir welche führen. Im Augenblick gibt es dazu keinen Bedarf." Wie aus dem Landesamt für Zentrale Soziale Aufgaben zu erfahren war, haben bislang Kaiser's und Reichelt Interesse bekundet, an dem Wertgutschein-Verfahren teilzunehmen.

Das Bündnis Prenzlauer Berg will Anwohner zu einer Diskussionsveranstaltung einladen. Kreisvorstandsmitglied Almut Tharan erklärte, der Brandanschlag trage eher dazu bei, daß aus der Bevölkerung keine Unterstützung für das eigentliche Anliegen komme. "Kaiser's mit Flugblättern zu plakatieren wäre besser gewesen."

ga/plu/win

TAZ-BERLIN Nr. 5350 vom 08.10.1997 Seite 21 Berlin Aktuell 93 Zeilen TAZ-Bericht ga/plu/win


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