Sieg oder untergang - größtmöglicher Erfolg oder eine akzeptable Alternative?!


Wir haben uns die Situation, vor der wir stehen, nicht ausgesucht. Unserer Einschätzung nach können wir jedoch einer Entscheidung nicht länger ausweichen. So wenig wir es auch in der Hand haben, muß das Anliegen sei», in dem Konflikt, der auf die Flora zukommt, das Terrain der Auseinandersetzung möglichst zu verschieben: Weg von einem Haus ja oder nein, hin zu inhaltlichen Fragen. Insofern ist die Frage nach dem Umgang auch eine strategische.

Der folgende Text ist ein Plädoyer dafür, Verhandlungen mit der Stadt aufzunehmen und entwirft ein Szenario für die konkrete Umsetzung.

Ausgangsbasis für Verhandlungen sollte die Haltung sein, daß von unserer Seite aus kein eigenes Interesse an Verträgen besteht, sondern im Gegenteil eine erhebliche Bereitschaft vorhanden ist, jegliche Verhandlungen zu verweigern und die Auseinandersetzungen um den Status der Flora auf anderen Wegen einzugehen. Daher können wir die Verhandlungen jederzeit platzen lassen. Dies sollte auch klar vermittelt werden. Im Rahmen von Verhandlungen läßt sich allerdings erfolgreiche und gut vermittelte Öffentlichkeitsarbeit betreiben, indem wir an den einzelnen Punkten aufzeigen, was für uns aus welchen Gründen nicht akzeptabel ist bzw. wofür Flora inhaltlich steht.

Ziel linker Politik muß es immer wieder sein, thematische Felder zu besetzen und mit eigenen Inhalten zu füllen. Dafür bieten Vertragsverhandlungen eine Vorlage, die wir für uns nutzen können.

Unserer Vorstellung nach soll es in Verhandlungen nicht in erster Linie um die vertragliche Sicherung des Hauses gehen, sondern vielmehr um erneute und verstärkte Darstellung eigener Positionen. Auf inhaltlichem Gebiet sind wir eigentlich unschlagbar. Das heißt zwar nicht, daß wir irgend jemanden überzeugen können – offensichtlich – das heißt aber, daß wir alles daran setzen sollten, den Fokus der Auseinandersetzung auf unsere inhaltlichen Schwerpunkte zu lenken. Ein Beispiel: Am Vertragsentwurf der Stadt ist das Ziel der gesamten Strategie der Stadt deutlich ablesbar, wenn mensch sich etwa das Thema Drogenverbotspolitik herausgreift. Hier wäre es in den Verhandlungen zentrale Aufgabe, die Weigerung, solche Klauseln (hier: $10.2: Beeinträchtigungen des Grundstücks) zu unterschreiben, in den Kontext der Florapolitik zu stellen. Wenn es gelingt, in unserer Öffentlichkeitsarbeit nicht die pure Existenzsicherung des Hauses in den Mittelpunkt zu stellen, sondern die inhaltlichen Ansätze zu betonen, für die die Flora und die mit ihr verbundene Bewegung steht, lassen sich damit deutliche politische Signale setzen.

Das setzt allerdings voraus, daß die definierten Eckpunkte unstrittig sind und wir mit der klaren Perspektive in die Verhandlungen gehen, daß wir uns an diesen Punkten auf keine Kompromisse einlassen und insofern eine Räumung bzw. eine auf der Straße ausgetragene Auseinandersetzung um die Flora in Kauf genommen wird.

Als Eckpunkte schlagen wir vor:

Weitere Eckpunkte müßten in der weiteren Auseinandersetzung geklärt werden. An den Punkten, die Konzessionen, Bauunterhaltungspflichten, Verantwortlichkeiten etc. betreffen, sowie zur Frage von Alternativen zur Miete (Übereignung, Pacht, Kauf usw.), ist ebenfalls eine genauere Diskussion sowie anwaltlicher Rat notwendig. Unserer Ansicht nach gibt es an diesen Punkten Spielräume, so daß sie für die hier zu treffende Grundsatzentscheidung nicht relevant sind.

Um es noch einmal deutlich zu sagen: Verhandlungen einzugehen heißt in unseren Augen nicht, damit das Haus zwangsläufig vertraglich unter Dach und Fach zu bringen. Vielmehr sollte im Prozeß der Verhandlungen nach Möglichkeiten der sichtbaren links/radikalen Positionierung in der Stadt gesucht werden.

Wir halten die genannten Eckpunkte für fixiert, d. h. an diesen Punkten müssten die Verhandlungen scheitern, wenn sie nicht durchsetzbar sind – und das muß auch von vornherein klar sein. Andere Punkte können ebenso den Ausschlag für einen Abbruch der Verhandlungen geben.

Aus unserer gespaltenen Einstellung zur Verträglichkeit heraus ist ein Abbruch der Verhandlungen eine sehr reale Möglichkeit. Ein konsequenter Verhandlungsabbruch kann ein starkes politisches Mittel sein, Öffentlichkeit zu schaffen (und politische Inhalte gar durchzusetzen!?). Es gilt, aus der passiven Haltung "...wenn wir erst mal verhandeln, werden wir vom einen zum anderen Mal über den Tisch gezogen..." zu einer konfrontativen Position gegenüber der Stadt zu gelangen.

Wenn es in den Verhandlungen über die reine Existenzsicherung des Hauses hinausgehende Auseinandersetzungen gibt, macht sich das Scheitern nicht mehr an einem Festhalten am Besetztstatus fest, sondern an politischen Inhalten. Während diese weitgehend an eine breitere Öffentlichkeit vermittelbar sein können – und diese dann nicht unbedingt überzeugen, zumindest aber erreichen – sind wir unserer Einschätzung nach mit der Vermittlungsleistung, die in der Begründung des Festhaltens am Status Quo liegt, überfordert. Wir werden schnell so selbstreferentiell.

Eine Politik, die sich im Wesentlichen darum dreht, für die eigene Szene einen Besetzstatus zu erhalten, birgt die Gefahr, sich nur an sich selbst zu richten. Wir gehen das Risiko ein, in der öffentlichen Wahrnehmung auf das Haus und seinen Status reduziert zu werden: unserer Einschätzung nach ist das Thema Häuserkampf aktuell nicht mehr zu besetzen. Wir sehen die Gefahr, daß der Kampf um selbstverwaltete Räume als privates Vergnügen einer kleinen Gruppe rezipiert wird, während die für uns damit verbundenen Themen (Vertreibungsszenarien, Drogenverbotspolitik, Innere Sicherheit, öffentlicher Raum, Umstrukturierung usw.) in den Hintergrund rücken und es uns möglicherweise nicht gelingen wird, dies zu vermeiden. Um die Einhaltung der Eckpunkte zu gewährleisten, braucht eine Verhandlungsgruppe ein entschlossenes Korrektiv, d. h. "alle" haben die Verantwortung, ein Einknicken zu verhindern. Dies ist der Punkt, an dem wir ausgesprochen skeptisch sind: strategisch halten wir den Verhandlungsansatz für richtig; in der Umsetzbarkeit, insbesondere an der Frage, ab "die Szene" solche Eckpunkte-Verhandlungen tragen, begleiten und beeinflussen wird, haben wir Zweifel. Wir sind davon überzeugt, daß sich eine stabile Verhandlungsgruppe nur konstitutieren kann, wenn es ein gemeinsames Durchsetzen der Florapolitik über die "Grenzen" der verschiedenen "Fraktionen" hinweg gibt.

Ein konkretes Szenario zur Umsetzung, soweit sich dies an dieser Stelle schon entwerfen läßt, könnte so aussehen:

Öffentlichkeitsarbeit bleibt auf allen Ebenen wichtig. Dafür wird eine Arbeitsgruppe benötigt, die kontinuierlich arbeitet und auch ansprechbar ist. Presse reicht aber natürlich nicht aus. Statt dessen ist Kreativität gefragt, die nicht nur für den Erhalt der Flora wirkt, sondern in erster Linie die inkriminierten Themenfelder aufgreift.

Gespräche mit der Stadt müssen sorgfältig vorbereitet und von vielen getragen werden. Bleibt eine Verhandlungsgruppe damit allein, ist die Zermürbung absehbar und das Risiko von Fehleinschätzungen genauso groß wie das des Einknickens. Jedes Gespräch muß nicht nur sofort nachbereitet, sondern auch umgehend öffentlich gemacht werden. Regelmäßig muß die Frage im Raum stehen, ob gerade der Punkt für den Verhandlungsabbruch erreicht ist.

  Risiken und mögliche Nebenwirkungen:

Wir verlieren das Haus, ohne ein Zeichen setzen zu können. Die Verhandlungen gleiten uns aus den Händen, so daß die Stadt durchdrücken kann, was sie will, ohne daß wir auch nur die Möglichkeit haben, eigene Akzente zu setzen.

Der "radikale Wille" reicht nicht aus, um den Absprung zu finden, die Verhandlungen platzen zu lassen. Wir knicken ein und unterzeichnen einen Knebelvertrag. Flora goes staatlich gefördertes Jugendprojekt. Unsere Eckpunkte sind nicht durchsetzbar und die Verhandlungen platzen, bevor sie beginnen.

Eine öffentliche, politische Auseinandersetzung um die Position der Flora könnte stattfinden, in der wir nicht offensiv handeln und keine Akzente setzen.

Die Verhandlungsgruppe zerstreitet sich untereinander bzw. agiert selbstherrlich ohne Rückhalt im Haus. Die Szene trägt die Verhandlungen irgendwann nicht mehr mit und den Verhand1ungen fehlt das Korrektiv.

Es gelingt nicht, eine Verhandlungspuppe zu bilden/ finden (weil wir zu wenig, zu uneinig etc. sind). Es läßt sich keineR finden, die/ der ihren/ seinen Namen unter einen Vertrag setzen kann, weil die Gewißheit fehlt, eventuelle Folgen von Repression auf viele Schultern verteilen zu können.

  Als Schlußwort:

Auch auf die Gefahr zu wiederholen: Eine eventuelle Entscheidung für Verhandlungen heißt zwar, die Option eines Vertragsabschlusses im Kopf zu haben. Jedoch lieg der Schwerpunkt unserer Argumentation zur Zeit in den Möglichkeiten der politischen Auseinandersetzung. Aus einer Verhandlungsposition läßt sich nach Außen hin besser vermitteln. In weiteren Diskussionen gewinnt möglicherweise die Struktur des Hauses an Substanz, aus der gegebenenfalls politische Stärke erwächst – oder eben nicht.

Sollte aus so geführten Verhandlungen unwahrscheinlicherweise ein Vertrag erwachsen, der unterschreibbar ist: Wir würden z.Zt. dafür plädieren, in diesem Fall den Verlust des symbolischen Ortes zugunsten des Erhalts der Infrastruktur in Kauf zu nehmen.

Es muß allerdings klar sein, daß ein Vertragsabschluß eine Niederlage darstellt. Nichts wird so bleiben, wie es war, auch wenn die Spielräume sicherlich größer sind, als es in den vergangenen Diskussionen häufig im Raum stand.

Kleines Komitee für Statusfragen


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